2.1 Schutzjahr
Rz. 3
Spätestens mit Ablauf von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet (§ 62 Abs. 2 Satz 1). Diese Wirkung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht darauf ein, dass hierüber ein förmlicher Bescheid erteilt wurde.
Rz. 4
Nach dem Normzweck des Abs. 1 soll der Versicherte darauf vertrauen dürfen, dass kurzfristige Änderungen der Rente nicht eintreten, wenn sie durch einen zeitlich uneingeschränkten Bescheid bewilligt und längere Zeit hindurch gewährt wurde. Weil sich der Versicherte unter diesen Umständen auf einen gleichbleibenden Dauerzustand einrichten konnte, schützt ihn die Vorschrift insofern, als eine Änderung nur in Abständen von mindestens einem Jahr möglich ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.9.1970, 5 RKnU 18/69, BSGE 32 S. 11).
Rz. 5
Die Rente auf unbestimmte Zeit muss gemäß Abs. 1 Satz 1 dem Versicherten mindestens ein Jahr lang gewährt werden, bevor eine Entziehung bzw. eine Änderung zuungunsten des Versicherten zulässig ist. Dieses sog. Schutzjahr soll dem Versicherten eine gewisse Sicherheit in seiner wirtschaftlichen Basis geben. Nach Ablauf des Schutzjahres schließt sich nicht etwa erneut ein Schutzjahr an. Erst nach einer Neufeststellung der Rente greift Abs. 1 erneut ein.
Rz. 6
Tritt hingegen eine Verschlimmerung in den Unfallfolgen ein, ist das sog. Schutzjahr nicht zu beachten (vgl. § 73 Abs. 1), dies stellt der Gesetzeswortlaut – anders als die Vorgängerregelung – in Abs. 1 ausdrücklich klar.
Rz. 7
Bei einer Rente, die erstmals später als 3 Jahre nach dem Versicherungsfall für eine zurückliegende begrenzte Zeit festgestellt wird, hat der Versicherte keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob der Unfallversicherungsträger innerhalb von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall eine vorläufige Entschädigung festgestellt hätte, die dann ggf. zur Rente auf unbestimmte Zeit geworden wäre. Hier fehlt es nämlich an der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Interessenlage (vgl. BSG, Urteil v. 21.3.1974, 8 RU 59/73, BSGE 37 S. 186).
Rz. 8
Beruht die Leistung einer Rente auf unbestimmte Zeit für einen Versicherungsfall aus der Unfallversicherung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 auf einer MdE um 10 % und auf einer MdE gleicher Höhe wegen eines weiteren Versicherungsfalls (sog. Stützrentensituation), so kann bei Wegfall der MdE für einen der Versicherungsfälle die Rente nicht vor Ablauf des Schutzjahres entzogen werden (vgl. BSG, Urteil v. 12.3.1986, 5a RKnU 1/85, SozR 2200 Nr. 24 zu § 581).
2.2 Beginn des Schutzjahres
Rz. 9
Die Regelung in Abs. 1 Satz 2 zum Beginn der Jahresfrist beinhaltet 2 Alternativen:
1. |
Es gilt der Zeitpunkt, in dem die vorläufige Entschädigung Rente auf unbestimmte Zeit geworden ist. |
Vorläufige Entschädigung wird ab dem 2.2.2006 als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Das Schutzjahr beginnt am 2.2.2006 und endet am 1.2.2007. Eine Entziehung oder Änderung der Rente kann somit erst nach dem 1.2.2007 erfolgen.
Rz. 10
2. |
Es gilt der Zeitpunkt, an dem die letzte Rentenfeststellung bekanntgegeben worden ist. |
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs (SGB) übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 SGB X).
Die letzte Änderung der Rente auf unbestimmte Zeit wurde dem Versicherten mit Bescheid am 15.6.2005 bekanntgegeben. Das Schutzjahr beginnt somit am 15.6.2005 und endet am 14.6.2006, so dass eine Änderung oder Entziehung der Rente frühestens nach diesem Zeitpunkt möglich ist. Nach dem in § 73 Abs. 2 Satz 1 normierten Monatsprinzip kann eine Entziehung oder Reduzierung der Rente erst ab 1.7.2006 erfolgen.
Rz. 11
Ein Bescheid über die Änderung oder Entziehung der Rente darf schon vor Ablauf des Schutzjahres erteilt werden, wenn die Änderung oder Entziehung der Rente erst an einem Zeitpunkt nach Ablauf des Schutzjahres wirksam geworden ist (vgl. BSG, Urteil v. 19.12.1968, 2 RU 117/66, BSGE 29 S. 71).
Rz. 12
Die Bescheiderteilung vor Ablauf des Schutzjahres mit Wirkung nach Ablauf stellt in der Praxis den Regelfall dar. Diese Vorgehensweise ist allein schon aufgrund der dem Anspruch auf rechtliches Gehör nachgebildeten Anhörungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers nach § 24 SGB X geboten, wonach dem Berechtigten rechtzeitig vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die beabsichtigte Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern; denn die Mitteilung über die beabsichtigte Entziehung oder Änderung der Rente wird in der Regel für eine ganze Zeit vor Ablauf des Schutzjahres geboten sein, da anschließend eine angemessene Zeit sowohl für den Versicherten zur Äußerung als auch für den Unfallversicherungsträger gegeben sein muss um die Äußerung des Versicherten vor der Entscheidung zu berücksichtigen, was gegebenenfall...