Rz. 113a
Kommt es während der versicherten Tätigkeit oder auf einem nach Abs. 2 versicherten Weg zu einer Vergewaltigung oder sexuellen Übergriffen, so ist auch hier zu prüfen ob dieser Übergriff, der grundsätzlich als Unfallereignis interpretiert werden kann, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits die Vergewaltigung oder den sexuellen Übergriff herbeigeführt hat. Der innere Zusammenhang bei einem solchen Ereignis setzt zunächst regelmäßig voraus, dass die Beweggründe des Angreifers in Umständen zu suchen sind, die in Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Verletzten stehen; ist dies nicht der Fall, fehlt es grundsätzlich an dem erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Allerdings bedarf es nicht unbedingt eines betriebsbezogenen Tatmotivs, damit überhaupt der innere Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit hergestellt wird. Vielmehr kann ein innerer Zusammenhang auch bei einem aus rein persönlichen Gründen unternommenen Angriff gegeben sein, wenn die besonderen Umstände, unter denen die versicherte Tätigkeit ausgeübt wird, oder die Verhältnisse am Arbeitsplatz den Überfall erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt haben. Voraussetzung für eine solche zur Bejahung des inneren Zusammenhangs trotz nicht betriebsbezogenen Tatmotivs des Angreifers führende besondere Fallgestaltung ist das Vorliegen von versicherter Tätigkeit zum Zeitpunkt des Überfalls bzw. jedenfalls unmittelbar davor (BSG, Urteil v. 26.6.2001, B 2 U 25/00 R).
Rz. 113b
Das BSG hat diese Rechtsprechung in einem Fall, in dem die Vergewaltigung auf dem Weg zur Arbeit erfolgte, weiter präzisiert (Urteil v. 18.6.2013, B 2 U 10/12 R). Steht fest, dass der Überfall sich auf dem versicherten Weg ereignet hat, so ist weiter festzustellen, ob sich die durch die versicherte Tätigkeit objektiv verursachte Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellt und deshalb die versicherte Tätigkeit "wesentlich" war, ob also sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, wenn die frühere enge Beziehung zwischen Täter und Opfer oder andere unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, sodass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt (BSG, a. a. O.).