Rz. 9

Das in Abs. 2 Satz 2 formulierte sog. staatliche Wächteramt beinhaltet zunächst einmal die Aufgabe und die Pflicht des Staates zur Kontrolle der Wahrnehmung des Elternrechts. Es verleiht dem Staat – anders als im Schulbereich – kein eigenes Erziehungsrecht. Ebenso wie der wortgleiche Art. 6 Abs. 2 GG verleiht Abs. 2 kein subjektives Recht der Eltern oder des Kindes auf staatliche Erziehungsmaßnahmen. Dies folgt zwingend aus der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat. Spiegelbildlich zu der eben umschriebenen Elternverantwortung verpflichtet das Wächteramt bei einer Gefährdung des Kindeswohles die zuständigen staatlichen Stellen zum Tätigwerden. Dies beinhaltet zum einen die in §§ 1666, 1666a BGB normierte Eingriffsbefugnis des Familiengerichts einzuschreiten, wenn die Gefahrenschwelle der Gefährdung des Kindeswohles überschritten ist (vgl. Komm. zu § 42 und sowie zu § 8a).

 

Rz. 10

Gemäß Abs. 2 Satz 2 obliegt den staatlichen Stellen eine Schutzpflicht, aus der eine Garantenstellung i. S. d. § 13 StGB erwachsen kann. Die Rechtsprechung (OLG Oldenburg, Urteil v. 2.9.1996, Ss 249/96; OLG Stuttgart, Beschluss v. 28.5.1998, 1 Ws 78/98) leitet eine Garantenstellung der Mitarbeiter der Jugendämter aufgrund gesetzlicher Regelung, nämlich aufgrund des in Abs. 2 normierten staatlichen Wächteramtes her. Bei den vom Jugendhilfeträger beauftragten Mitarbeitern von Trägern der freien Jugendhilfe kommt die Garantenstellung als Beschützergaranten aufgrund der Pflichtenübernahme in Betracht. Die strafrechtliche Verantwortung tritt ein, wenn Kinder oder Jugendliche durch vorhersehbare vorsätzliche Misshandlungen der Eltern oder eines von ihnen beauftragten Dritten verletzt oder gar getötet werden. Das Unterlassen des Mitarbeiters muss ursächlich für die Rechtsgutverletzung sein und der Mitarbeiter muss zumindest fahrlässig gehandelt haben, d. h. er muss die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben und infolgedessen nicht erkannt haben, dass sein Unterlassen die Rechtsgutverletzung herbeiführt (vgl. im Einzelnen die Komm. zu § 8a. m. w. N.).

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