2.3.1 Die Grundregel
Rz. 16
Gemäß Abs. 3 und 4 gehen Leistungen nach dem SGB VIII den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII grundsätzlich vor. Dabei ist wiederum im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige Leistung nach dem SGB VIII dem gleichen Zweck dient wie die Leistung nach dem SGB II oder dem SGB XII. Nur dann, wenn dies der Fall ist, greift das Rangverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil v. 2.3.2006, 5 C 15/05). Der Anwendungsbereich des SGB II ist freilich gemäß § 7 Abs. 4 SGB II auf den nichtstationären Bereich begrenzt. Der Überschneidungsbereich zwischen SGB VIII und SGB XII ist breiter angelegt. Unterhaltsleistungen, die im Rahmen der Jugendsozialarbeit gewährt werden (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2), der Förderung der Erziehung in der Familie (vgl. §§ 19 Abs. 3, 21 Satz 2), bei der Betreuung in Notsituationen (§ 20), bei der Hilfe zur Erziehung und der Erziehungshilfe (vgl. § 39), bei der Hilfe für junge Volljährige (§ 41) und als Annexleistung bei Inobhutnahme (§ 42), Kindertagespflege (§ 43) und bei Gewährung von Krankenhilfe. Ein Nachrang der Jugendhilfe hat keine Auswirkungen auf das Leistungsverhältnis zwischen dem Hilfesuchenden und dem Jugendhilfeträger. Die Konkurrenzbestimmungen der Abs. 3 und 4 lassen das Bestehen der Ansprüche unberührt. Auf der Ebene der Verpflichtung zum Hilfesuchenden bewirkt ein Nachrang der Jugendhilfe keine Freistellung des nachrangig verpflichteten Jugendhilfeträgers und keine alleinige Zuständigkeit des vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträgers (VG Lüneburg, Urteil v. 10.4.2018, 4 A 443/16, Rz. 34).
2.3.2 Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II
Rz. 17
Abs. 3 wurde durch das KICK neu gefasst. Wie nach dem bisherigen Recht sind gemäß Abs. 3 Satz 1 grundsätzlich die Leistungen der Jugendhilfe gegenüber Leistungen nach dem SGB II vorrangig. Die Ausnahme bilden gemäß Abs. 3 Satz 2 die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 und der §§ 14 bis 16g, 19 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 6 SGB XII sowie Leistungen nach § 6b Bundeskindergeldgesetz i. V. m. § 28 Abs. 6 SGB II. SGB XII. Zu beachten ist dabei, dass neben den nach § 7 Abs. 1 SGB II leistungsberechtigten Jugendlichen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, seit dem 1.1.2011 nach § 7 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 28 Abs. 6 SGB II auch diejenigen Kinder und Jugendlichen vorrangig Leistungen nach dem SGB II erhalten, die Schülerinnen und Schüler sind oder als Kinder eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird. Wenn sie an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehmen, werden für sie die entstehenden Mehraufwendungen berücksichtigt. Gleiches gilt gemäß § 27a Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 34 Abs. 6 SGB XII für Leistungsempfänger nach dem SGB XII. Ein etwaiger Nachrang der Jugendhilfe auf der Ebene der Verpflichtungen zum Hilfesuchenden bewirkt keine Freistellung des nachrangig verpflichteten Jugendhilfeträgers und keine alleinige Zuständigkeit des vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträgers, sondern der Jugendhilfeträger bleibt in eigener, ggf. nach § 86c fortwirkender Zuständigkeit dem Hilfebedürftigen zur Leistung verpflichtet (BVerwG, Beschluss v. 22.5.2008, 5 B 203/07).
2.3.3 Eingliederungshilfe nach dem SGB XII
Rz. 18
Absatz 4 wird ebenfalls durch das KICK neu gefasst und durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 geändert. Ebenso wie bei Leistungsempfängern nach dem SGB II (vgl. Rz. 17) werden auch für sie die Mehraufwendungen für eine gemeinschaftliche Mittagsverpflegung vorrangig durch den nach dem SGB XII zuständigen Leistungsträger übernommen. Wie nach dem bisherigen Recht sind ansonsten grundsätzlich die Leistungen der Jugendhilfe auch gegenüber Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII vorrangig (Abs. 4 Satz 1). Lediglich Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für geistig behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte junge Menschen gehen gemäß Abs. 4 Satz 2 den Leistungen nach dem SGB VIII vor (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 30.7.2007, 20 SO 15/06; BayVGH, Urteil v. 5.6.2007, 12 BV 05.218; BVerwG, Urteil v. 22.2.2007, 5 C 32/05 zu den Fahrt- und Begleitkosten zu therapeutischen Sitzungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen wurden).
Rz. 18a
Die Vor- und Nachrangregelung stellt nicht auf einen Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden Hilfeleistungen ab, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen (BVerwG, Urteil v. 23.9.1999, 5 C 26/98; BSG, Urteil v. 24.3.2009, B 8 SO 29/07 R). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile v. 28.1.2013, L 20 SO 170/11, und v. 30.7.2018, L 20 SO 331/15, Rz. 61; BVerwG, Urteil v. 13.6.2013, 5 C 30/12). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung die erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und Zuständigkeitsfragen bereinigen, die zu...