2.3.1 Überblick
Rz. 17
Das Bußgeldverfahren richtet sich im Einzelnen nach den §§ 35ff. OWiG. Über § 46 Abs. 1 OWiG gelten im Bußgeldverfahren, soweit das OWiG nichts anderes bestimmt, sinngemäß auch die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO), des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Im Folgenden werden die wesentlichen Eckpunkte des Verfahrens dargestellt.
2.3.2 Einleitung des Verfahrens
Rz. 18
Das Bußgeldverfahren wird durch die örtlich und sachlich zuständige Verwaltungsbehörde eingeleitet und geführt. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 36 OWiG, die örtliche Zuständigkeit aus § 37 OWiG.
Die Verwaltungsbehörde ist bei Bekanntwerden eines ordnungswidrigen Verhaltens nicht zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens verpflichtet. Die im Strafverfahren geltende Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Einleitung eines Verfahrens, sofern der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung gegeben ist (sog. Legalitätsprinzip), gilt im Bußgeldverfahren nicht. Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Dabei hat sie alle Umstände des Falles zu berücksichtigen, z. B. das Gewicht und die Auswirkung der Zuwiderhandlung, die Schwere des Verschuldens, die Einstellung des Betroffenen zur Tat, sein Verhalten nach der Tat und die Gefahr der Wiederholung (Göhler, a. a. O., § 47 Anm. 10). Unter Berücksichtigung aller Umstände muss sie ihr Ermessen pflichtgemäß gebrauchen, d. h. sie darf nicht nach Willkür oder Belieben handeln und hat den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG zu beachten (Rebmann/Roth/Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Bd. 1, § 47 Anm. 11).
2.3.3 Verfahren bei der Verwaltungsbehörde
Rz. 19
Die Verwaltungsbehörde führt das Bußgeldverfahren nach den Bestimmungen des OWiG durch. Es ist ein schriftliches Verfahren. Der Umfang der Ermittlungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. In jedem Fall wird dem Betroffenen Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu dem Vorwurf zu äußern. Im gesamten Verfahren wird die Person, gegen die sich das Verfahren richtet, als "Betroffener" bezeichnet.
Hat die Verwaltungsbehörde bei Bekanntwerden des Sachverhalts oder im Zuge der Ermittlungen Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten eine Straftat sein kann, gibt sie die Sache an die für ihren Sitz örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ab (§ 41 OWiG).
Rz. 20
Haben die Ermittlungen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keinen Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit ergeben, muss die Verwaltungsbehörde das Verfahren einstellen (§ 46 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO). Darüber hinaus kann die Verwaltungsbehörde das Verfahren, auch wenn ein Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit besteht, jederzeit einstellen, solange es bei ihr anhängig ist (§ 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Die Einstellung darf in keinem Falle von der Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder eine sonstige Stelle abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang gebracht werden (§ 47 Abs. 3 OWiG).
Rz. 21
Stellt die Verwaltungsbehörde das Verfahren nicht ein, schließt sie es durch den Erlass eines Bußgeldbescheides ab. Der Inhalt eines Bußgeldbescheides ergibt sich aus § 66 OWiG. Der Bußgeldbescheid wird dem Betroffenen oder seinem Bevollmächtigten förmlich zugestellt. Mit der Zustellung beginnt die Einspruchsfrist von 2 Wochen (§ 67 OWiG). Ein nicht rechtzeitiger Einspruch wird durch die Verwaltungsbehörde als unzulässig verworfen (§ 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Auf einen rechtzeitigen Einspruch kann die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid – ggf. nach weiteren Ermittlungen – noch zurücknehmen (§ 69 Abs. 2 OWiG).
2.3.4 Gerichtliches Verfahren
Rz. 22
Nimmt die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid nicht zurück, legt sie die Vorgänge über die zuständige Staatsanwaltschaft dem für ihren Sitz zuständigen Amtsgericht vor (§ 69 Abs. 3, § 68 OWiG).
Rz. 23
Das Amtsgericht entscheidet gemäß § 72 Abs. 1 OWiG durch Beschluss, wenn es eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält und der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Andernfalls beraumt der Richter eine Hauptverhandlung an und führt diese durch. Für die Durchführung der Hauptverhandlung gelten über § 46 OWiG die Bestimmungen der Strafprozessordnung mit den in §§ 73 bis 78 OWiG bestimmten Abweichungen. Auch in der Hauptverhandlung kann das Gericht das Verfahren noch gemäß § 47 Abs. 2 OWiG mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen. Andernfalls ergeht in der Hauptverhandlung ein Urteil.
Rz. 24
Gegen das Urteil ist binnen einer Woche nach Verkündung bzw. nach Zustellung eines Beschlusses gemäß § 72 OWiG oder eines in Abwesenheit verkündeten Urteils gemäß § 79 OWiG das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig, wenn u. a. die erkannte Geldbuße über 250,00 EUR liegt oder der Betroffene freigesprochen worden ist und im Bußgeldbescheid eine Geldbuße von mehr als 600,00 EUR festgesetzt war. Bei geringeren als den vorgenannten Beträgen kann unter den Voraussetzungen des § 80 OWiG ein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt werden.
Rz. 25
Ü...