0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 104 ist derzeit i. d. F. der Bekanntmachung des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) seit dem 10.6.2021 in Kraft.
Die Vorschrift wurde seit Inkrafttreten des SGB VIII – durch das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163) – mehrfach geändert.
Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) wurde in § 104 Abs. 1 mit Wirkung zum 1.4.1993 eine neue Nr. 3 eingefügt, die sich auf einen Verstoß gegen Melde- und Dokumentationspflichten nach § 47 bezieht (vgl. BR-Drs. 203/92 S. 78). Die alte Nr. 3 wurde zur Nr. 4; im Übrigen wurde die Vorschrift redaktionell angepasst.
Durch das Zehnte Euro-Einführungsgesetz (10. EuroEG) v. 15.12.2001 (BGBl. I S. 3762) wurde Abs. 2 mit Wirkung zum 1.1.2002 neu gefasst; die Währungseinheit D-Mark wurde durch die Währungseinheit Euro ersetzt.
Durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) wurde mit Wirkung zum 1.10.2005 Abs. 1 Nr. 1 teilweise geändert und nunmehr neben § 44 Abs. 1 auch auf § 43 Abs. 1 (Erlaubnis zur Kindertagespflege) Bezug genommen. Außerdem wurde Abs. 1 Nr. 3 neu geregelt.
Durch Art. 1 Nr. 67 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde mit Wirkung zum 10.6.2021 Abs. 1 Nr. 3 geändert und der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit auf die Verletzung von Dokumentationspflichten erweitert (die Änderung erfolgte erst auf die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss), vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 74).
1 Allgemeines
Rz. 1a
Nach § 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ist eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Die Begriffsbestimmungen von § 1 OWiG gelten auch für Bußgeldvorschriften außerhalb des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Mit der als Rechtsfolge angedrohten Geldbuße ist die Ordnungswidrigkeit gegenüber der Straftat ein "aliud"; sie wird lediglich als eine nachdrückliche Pflichtermahnung angesehen und empfunden, die keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Ansehens und des Leumunds des Betroffenen zur Folge hat, mag sie dessen Vermögen auch ebenso stark belasten wie eine vergleichbare Geldstrafe (BVerfG, Beschluss v. 16.7.1969, 2 BvL 2/69). Die Geldbuße hat repressiven Charakter, ist jedoch keine Strafe. Ihr fehlt das mit einer "Kriminalstrafe notwendigerweise verbundene sozialethische Unwerturteil".
2 Rechtspraxis
2.1 Tatbestände (Abs. 1)
2.1.1 Grundsätzliches
Rz. 2
In Abs. 1 ist im Einzelnen aufgeführt, welche Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten verfolgt und mit einer Geldbuße geahndet werden können. Die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Verstöße gegen einzelne, zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erlassene Bestimmungen des SBG VIII Kinder- und Jugendhilfe als Ordnungswidrigkeiten ahnden zu können, ist nicht neu. Bereits nach dem bis zum 31.12.1990 geltenden Gesetz für Jugendwohlfahrt (JWG) waren bestimmte Verhaltensweisen ordnungswidrig.
Die Aufzählung in Abs. 1 ist abschließend, d. h. nur die in Nr. 1 bis 4 genannten Verstöße können als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden.
Rz. 3
Bei den in Nr. 1 bis 3 genannten Verstößen ist ein ordnungswidriges Verhalten nur gegeben, wenn der Betroffene mit Vorsatz gehandelt hat. Dies ergibt sich aus § 10 OWiG, wonach als Ordnungswidrigkeit nur vorsätzliches Handeln geahndet werden kann, außer wenn das Gesetz auch fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Geldbuße bedroht. Dies ist in Nr. 4 der Fall. Hier liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn der Betroffene vorsätzlich oder fahrlässig handelt.
Rz. 4
Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tat. Vorsätzliches Handeln setzt die (aktuelle) Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale und den Willen zur Tatbestandsverwirklichung voraus. Fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Betroffene die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt oder voraussieht oder die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten.
2.1.2 Betreuung oder Aufnahme ohne Pflegeerlaubnis (Nr. 1)
Rz. 5
Nach dem durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (BGBl. I S. 2729) neu gefassten § 43 Abs. 1 bedarf jeder, der Kinder außerhalb ihrer Wohnung in anderen Räumen während des Tages mehr als 15 Stunden wöchentlich gegen Entgelt länger als 3 Monate betreuen will (Tagespflegeperson) der Erlaubnis. Ferner bedarf nach dem durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (BGBl. I S. 2729) geänderten § 44 Abs. 1 Satz 1 der Pflegeerlaubnis durch das zuständige Jugendamt jeder, der ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und N...