2.1 Adressaten (Abs. 1)
Rz. 3
Die Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes richten sich nicht nur an den jungen Menschen (also gemäß § 7 Abs. Nr. 4 unter 27 Jährige), sondern darüber hinaus an die Erziehungsberechtigten. Der Begriff der Erziehungsberechtigten ist weit zu fassen: Hierunter sind nicht nur die Eltern, sondern auch sonstige Personenfürsorgeberechtigte, Erzieher in Kindergärten und -horten, Lehrer, Jugendgruppenleiter und Mitarbeiter erzieherischer Einrichtungen, Kinder- und Jugendheime zu verstehen.
Dadurch, dass Abs. 2 darüber hinaus die Eltern ausdrücklich erwähnt, wird deren besondere Verantwortung hervorgehoben. Sind sich die Eltern möglicher Gefahrenquellen für ihre Kinder besser bewusst, können sie selbst schneller und effektiver schützend eingreifen. Ziel muss es sein, einen familiären "Normalzustand" zu erreichen, bei dem die entscheidenden Weichenstellungen zum Schutz des jungen Menschen bereits vom Elternhaus gestellt werden.
2.2 Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (Abs. 1)
Rz. 4
Die Angebote sind nicht konkretisiert, müssen letztlich aber der Zielsetzung des Gesetzes, der gesellschaftlichen Integration von Kindern und Jugendlichen, Rechnung tragen (vgl. Rz. 6). So hat das Schleswig-Holsteinische VG beispielsweise die Kostenübernahme durch Jugendhilfeträger für die Internatsunterbringung eines 15-Jährigen in folgendem Fall bejaht: Die Eltern des Jugendlichen waren krankheitsbedingt nicht in der Lage, eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung zu gewährleisten. Das VG hielt es nicht für ausreichend, allein mit ambulanten Maßnahmen die Eltern zu therapieren. Vielmehr sei bei vorliegendem Einverständnis der Eltern und des Kindes daneben zu dessen Wohl eine auswärtige Unterbringung des Kindes zu veranlassen, wenn anderenfalls die Gefahr bestünde, dass der Erfolg der ambulanten Maßnahmen für das Kind zu spät käme (Urteil v. 2.10.2002, 15 A 19/01).
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe "sollen" Angebote machen, d. h., sie sind in der Regel hierzu verpflichtet; nur in atypischen Fällen können sie hiervon absehen. Als ein solcher Ausnahmefall gilt allerdings nicht mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des staatlichen Trägers. Ein (gerichtlich durchsetzbarer) Rechtsanspruch auf bestimmte Angebote besteht nicht, vgl. § 11 Rz. 3 ff.
2.3 Gefährdende Einflüsse (Abs. 2)
Rz. 5
Am 30.1.2002 legte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin den Elften Kinder- und Jugendbericht vor, der von einer Kommission unabhängiger Sachverständiger erstellt wurde. Darin werden u. a. folgende gefährdende Einflüsse auf Kinder und Jugendliche dargestellt:
- verstärkte Jugendarbeitslosigkeit,
- legale (z. B. Alkohol, Nikotin) und illegale (z. B. Cannabisprodukte, Heroin, Kokain, synthetische Suchtmittel) Drogen,
- Gewalt gegen Kinder und Jugendliche,
- Infektion mit dem HI-Virus und Erkrankung an Aids,
- jugendgefährdende Print- und Bildmedien mit gewalttätigem oder pornografischem Hintergrund,
- Sekten und okkultistische Bewegungen,
- unbegrenzter Zugang zu neuen Medien, wie dem Internet und Computerspielen,
- Internet- und Computersucht,
- sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen,
- aggressive Konsumwerbung, die zu Konsumkrediten und übermäßiger Verschuldung führt.
Der 14. Kinder- und Jugendhilfebericht vom Februar 2013 stellt fest, dass bei einer kleinen Gruppe von 3 bis 5 % der Jugendlichen, die Computerspiele exzessiv – das heißt mehr als 4 Stunden täglich – nutzt, sich häufig ein Zusammenhang zwischen problematischen Lebenssituationen und exzessiver Spiele- bzw. Internetnutzung zeige. Was dabei Ursache, was Folge ist, lasse sich allerdings nur schwer beantworten.
Weiter kommt der 14. Kinder- und Jugendhilfebericht zu dem Ergebnis, dass sich mit dem Ausbau der Ganztagesschulen die Schulen ebenso wie auch die Rahmenbedingungen des Aufwachsens verändern. Aus traditionell halbtags geöffneten Institutionen mit starker Orientierung auf die Vermittlung kulturell-wissensbasierter Kompetenzen werden Institutionen, in denen Kinder große Teile jener Zeit verbringen, die früher als "Freizeit" charakterisiert war. Das hat Folgen für die Zeitstrukturen, in denen Kinder leben; es verändert den Organisationsgrad ihres Lebens und die Möglichkeiten ihres Lernens. Dieser Wandel erfasst auch die Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe, weil sie sich einerseits am Ausbau der Ganztagesschulen mit ihren Angeboten beteiligen können und andererseits mit den Folgen und Nebenwirkungen dieser Veränderungen im Zeitalltag der Heranwachsenden konfrontiert werden. Je nach individueller Gegebenheit können sich diese von Grund auf geänderten Lebensumstände fördernd oder gefährdend auf das Kind bzw. den Jugendlichen auswirken.
Zu den gefährdenden Einflüssen auf Kinder und Jugendliche sollten des Weiteren die zunehmenden Diskontinuitäten familiärer Lebenswelten gezählt werden. Diese bedeuten für Kinder und Jugendliche – z. B. bei einer Scheidung ihrer Eltern – nicht nur den Zusammenbruch ihrer eigenen Welt, sondern oftmals den Wegfall enger Bezugspersonen und den Ersatz durch andere, gefährdende Einflüsse.
Darüber hinaus ...