Rz. 11
Bei § 16 handelt es sich um eine "Soll-Vorschrift", also eine gesetzliche Bestimmung, die ein Tun oder Unterlassen für den Regelfall vorschreibt und eine Ermessensentscheidung in atypischen Fällen zulässt.
Hieraus ergibt sich ein hoher Verpflichtungsgrad des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, da es nur ausnahmsweise in seinem Ermessen steht, Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung nicht zu erbringen. Schwierige wirtschaftliche Haushaltslagen sind hierfür gerade kein Grund – sie bestehen eher typischerweise und bilden keinen Ausnahmetatbestand, um Förderleistungen nach § 16 nicht durchzuführen.
Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe kommt seiner Verpflichtung nach, wenn er die "zur Erfüllung der Aufgaben erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stellt" (§ 79 Abs. 2). Die Angebote müssen also dergestalt erfolgen, dass sie den Normzweck erfüllen. Ob dies der Fall ist, hängt letztlich von einer praxisnahen Bewertung im Einzelfall ab.
Rz. 12
Allerdings besteht kein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch des Einzelnen auf Förderung durch Erziehungsleistungen bzw. bestimmte Angebote; § 16 hat nämlich nicht den Charakter eines subjektiven öffentlichen Rechts. Insofern unterscheidet sich § 16 von den §§ 17f., die ausdrücklich Rechtsansprüche gewähren. § 16 enthält zudem keine individuellen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern gibt nur den Rahmen für ein Leistungsangebot vor.
Der öffentliche Jugendhilfeträger hat einen weiten Gestaltungsspielraum, sodass nur ein Recht auf gleiche Teilhabe an den vorhandenen Angeboten und damit ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen i. S. d. § 16 gestellten Antrag auf Förderung der Familienerholung besteht. Ablehnende Verwaltungsentscheidungen können gerichtlich damit nicht vollumfänglich, sondern nur unter Beachtung der Einschränkungen des § 114 VwGO auf Ermessensfehler hin überprüft werden (vgl. BayVGH, Urteil v. 5.4.2001, 12 B 96.2358, sowie VG Gera, Urteil v. 10.2.2005, 6 K 605/04.GE). Die Förderung kann nach § 16 Abs. 3 auch durch eine Richtlinie konkretisiert werden. Auch dabei besteht ein weiter Gestaltungsspielraum des öffentlichen Jugendhilfeträgers. Es begegnet daher keinen Bedenken, die Förderung einer Familie von deren Einkommenssituation abhängig zu machen. Insofern ist es angesichts knapper Kassen sachgerecht, nur bedürftige Familien zu fördern. (VG Gera, Urteil v. 10.2.2005, 6 K 605/04.GE).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 6 GG. Zwar enthält Art. 6 GG nicht nur ein Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen, sondern darüber hinaus ein Leistungsrecht. Der Staat hat die Pflicht, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfG, Beschluss v. 17.1.1957, 1 BvL 4/54; BVerfG, Urteil v. 7.7.1992, 1 BvL 51/86). Dabei kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit aber selbst bestimmen, wie er diesen Schutzauftrag umsetzen will (BVerfG, Beschluss v. 13.12.1966, 1 BvR 512/65; BVerfG, Beschluss v. 30.11.1982, 1 BvR 818/81; BVerfG, Urteil v. 7.7.1992, 1 BvL 51/86). Genauso ist der Verwaltung ein Raum für sachgerechte Erwägungen eröffnet (BVerfG, Urteil v. 23.6.1982, 1 BvR 1343/81). Aus diesem Grunde erwachsen aus Art. 6 GG noch keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen, sodass sich ein entsprechender subjektiver Anspruch, basierend auf der grundrechtlichen Fernwirkung, aus § 16 nicht herleiten lässt.
Dagegen ist eine solche Anspruchsherleitung aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG auf gleichen Zugang zu den vorhandenen Angeboten eines Trägers möglich (Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 16 Rz. 3; Schellhorn/Fischer, KJHG, § 16 Rz. 23; vgl. zu der gesamten Problematik auch § 11 Rz. 3 ff.).
Rz. 12a
Mit Beschluss v. 18.7.2006 hat das BVerfG allerdings entschieden, dass sich aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des Kindeswohls in Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG im Verfahren nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung v. 25.10.1980 (HKÜ) die Pflicht ergeben kann, das Kindeswohl verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, dass dem Kind ein Verfahrenspfleger zur Wahrung seiner Interessen zur Seite gestellt wird. Die Beteiligung des Jugendamtes an dem Verfahren vermochte in dem zu entscheidenden Fall die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind schon deshalb nicht zu ersetzen, weil das Jugendamt nach Auffassung des Gerichts neben seiner Verpflichtung auf das Kindeswohl nach §§ 16 ff. einen Beratungs- und Hilfsauftrag auch gegenüber den Kindeseltern wahrzunehmen hatte und daher kein reiner Interessenvertreter des betroffenen Kindes sein könne (Az. 1 BvR 1465/05).
Rz. 12b
Welche Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie aus Sicht des Gesetzgebers insbesondere infrage kommen, zeigen die in Abs. 2 Nr. 1 bis 3 aufgeführten Beispiele. Dieser Kata...