0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jungendhilfegesetz – KJHG) v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163) zum 1.1.1991 eingeführt. Mit Wirkung zum 1.1.1995 wurde aus der "kann-Vorschrift" eine "soll-Vorschrift".
Rz. 1a
Das bis zum 30.6.1998 geltende Kindschaftsrecht kannte eine gemeinsame elterliche Sorge unverheirateter Eltern nicht. Für verheiratete Eltern sah es vor, dass im Fall einer Scheidung eine Entscheidung über die elterliche Sorge zwingend im Scheidungsverbundverfahren zu treffen war. Dies ist seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum 1.7.1998 grundlegend anders. Allen Eltern, die die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, steht nunmehr ein Gestaltungsvorrang zu, der familiengerichtlich nur überprüft wird, soweit durch die privatautonome Gestaltung elterlicher Sorge eine Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB) zu befürchten ist (§ 1671 Abs. 3 BGB, vgl. dazu Komm. zu § 42 Rz. 22 bis 25).
Rz. 2
Dem Zuwachs an privatautonomer Gestaltung der elterlichen Sorge entspricht ein Zuwachs an Verantwortung und damit an Beratungsbedarf. Zeitgleich mit den Neuerungen des Kindschaftsrechts ist deshalb § 17 geändert worden. Den Eltern steht seit dem 1.7.1998 ein Beratungs- und Unterstützungsanspruch zu (BT-Drs. 13/8511 S. 81; BT-Drs. 13/4899 S. 163). Auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses hin (BT-Drs 13/4899 S. 81) wurde aus dem "soll" ein "muss". Damit besteht ein Rechtsanspruch auf Beratung nach Abs. 1 und 2.
Durch Art. 2 Nr. 8 BKiSchG v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2975) wurden Abs. 2 und 3 mit Wirkung zum 1.1.2012 redaktionell an die Vorschriften des FamFG angepasst. In Abs. 2 wurde der Begriff der elterlichen Verantwortung eingeführt. Er tritt neben den Begriff der elterlichen Sorge.
1 Allgemeines
1.1 Partnerschaftsberatung zum Schutz der Kinderinteressen
Rz. 3
Für die Kinder bedeuten massive Streitigkeiten sowie Trennung oder Scheidung der Eltern erhebliche Einschnitte für ihre psychosoziale Entwicklung. Diese Belastungen können nur aufgefangen werden, wenn es den Eltern gelingt, zu einem tragfähigen Miteinander zu finden, das die Grundlage für eine verantwortungsvolle Ausübung elterlicher Sorge während des Bestehens der Beziehung oder nach einer Trennung bildet. Das setzt eine Handlungskompetenz der Eltern voraus, die in Krisensituationen häufig nicht vorhanden ist. Das notwendige Miteinander der Eltern im Interesse des Kindes (wieder-) herzustellen, ist deshalb das Hauptanliegen des § 17 (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 1, 24). Damit kommt das Jugendamt dem Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG nach, der ihm im Rahmen des staatlichen Wächteramtes obliegt.
1.2 Verknüpfung von Beratung und Kindschaftsrecht
Rz. 4
Die Beratungs- und Unterstützungsleistungen des § 17 Abs. 1 und 2 sind untrennbar mit dem materiellen Kindschaftsrecht verbunden. Dies folgt insbesondere aus § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 2 HS 2, Abs. 3. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 soll die Beratung im Fall von Trennung oder Scheidung helfen, eine Grundlage für die Wahrnehmung der Elternverantwortung zu schaffen. Zudem sind die Eltern bei der Entwicklung eines Konzeptes zur Wahrnehmung elterlicher Sorge, das Basis einer gerichtlichen Entscheidung sein kann, zu unterstützen (§ 17 Abs. 2). Deshalb wird die Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens, wenn gemeinschaftliche Kinder vorhanden sind, dem Jugendamt mitgeteilt, damit die Eltern über das Beratungs- und Unterstützungsangebot informiert werden (§ 17 Abs. 3, § 113 Abs. 5, § 124, 133 FamFG).
Rz. 5
Diesen Informationsstrang ergänzt § 128 FamFG = § 613 Abs. 1 Satz 2 ZPO a. F. für die mündliche Anhörung im Scheidungsverfahren. Das Familiengericht hört die Eltern auch zur elterlichen Sorge an und weist auf die Beratung durch Beratungsstellen und die Dienste der Träger der Jugendhilfe hin, und zwar unabhängig davon, ob Verfahrensanträge zu Fragen der elterlichen Sorge gestellt sind. Durch die Anhörung soll das Familiengericht in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob das Kindeswohl gefährdet und ein Eingreifen von Amts wegen erforderlich ist (BT-Drs. 13/8511 S. 78; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.4.2000, 5 WF 37/00).
Rz. 6
Eine entsprechende Informationspflicht der Gerichte ergibt sich unabhängig von einem Scheidungsverfahren aus § 155 Abs. 2, § 156 Abs. 1 = § 52 Abs. 1 Satz 2 FGG a. F. Im Rahmen von Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, also insbesondere zum Sorge- und Umgangsrechtsverfahren, sind die Beteiligten möglichst frühzeitig anzuhören und auf das Beratungsangebot der Beratungsstellen und Beratungsdienste der Träger der Jugendhilfe hinzuweisen. Sind die Eltern bereit, das Beratungsangebot wahrzunehmen, oder besteht nach Überzeugung des Gerichts die Aussicht, die Beteiligten könnten sich im Rahmen einer Beratung einigen, kann das Verfahren ausgesetzt werden (§ 21 Abs. 1 FamFG).
Rz. 7
Die Beratung im Rahmen von § 17 Abs. 1 und 2 erfolgt daher regelmäßig vor dem Hintergrund eines bereits rechtshängigen Gerichtsverfahrens oder der latent vorhandenen Möglichkeit, ein solches Verfahren einzuleiten. Die Beratung übe...