2.1 Beratung/Unterstützung bei Ausübung der Personensorge (Abs. 1 Nr. 1 1. Fall)
2.1.1 Alleinerziehende
Rz. 10
Der Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge steht Müttern und Vätern zu, die allein für ein Kind oder einen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen. Hat für das Kind oder den Jugendlichen ein Vormund oder Pfleger zu sorgen, kann er zwar nicht nach § 18, aber nach § 53 Abs. 2 Beratung und Unterstützung für sich in Anspruch nehmen.
Rz. 11
Die erste Alternative des § 18 Abs. 1 Nr. 1 1. Fall ("haben zu sorgen") stellt auf die rechtlichen Fälle alleiniger elterlicher Sorge ab. Die alleinige elterliche Sorge steht der nicht mit dem Vater verheirateten Mutter zu, die keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben hat (§ 1626a Abs. 2 BGB). Alleinige elterliche Sorge kann sich darüber hinaus aus familiengerichtlichen Entscheidungen nach §§ 1671 f. BGB (vgl. § 17 Rz. 42 ff.) sowie aufgrund von Tod (§ 1680 Abs. 1, Abs. 2 BGB), Geschäftsunfähigkeit (§ 1673 Abs. 1, § 1675, § 1678 BGB) oder Entzug der elterlichen Sorge eines Elternteils (§ 1666, § 1680 Abs. 3 BGB) ergeben (vgl. dazu § 17 Rz. 26). In allen Fällen der rechtlichen Alleinsorge kann sich der Elternteil an die Träger der Jugendhilfe wenden, selbst wenn der andere Elternteil mit ihm zusammenlebt und ihn unterstützt (Fischer, in: Schellhorn u. a., SGB VIII, § 18 Rz. 15 und 2). Denn rechtlich verantwortlich sowohl im Verhältnis zum Kind als auch in den Beziehungen nach außen ist allein der ausschließlich sorgeberechtigte Elternteil.
Rz. 12
Zusätzlich erfasst die 2. Alternative des § 18 Abs. 1 Nr. 1 1. Fall ("tatsächlich sorgen") die Elternteile, die faktisch allein verantwortlich sind, auch wenn formalrechtlich eine gemeinsame elterliche Sorge besteht (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 18 Rz. 6; Fischer, in: Schellhorn u. a., SGB VIII, § 18 Rz. 16). Dies betrifft auch den Fall, dass während der Trennung und der bevorstehenden Scheidung der Eltern der eine Elternteil sich nicht mehr an der Erziehung des Kindes beteiligt. In dieser Situation kommt die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegen den anderen Elternteil gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht (Tammen, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 8. Aufl., § 18 Rz. 1).
2.1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen der Personensorge
2.1.2.1 Inhalt der Personensorge
Rz. 13
Der Inhalt der Personensorge ist in §§ 1631 f. BGB näher bestimmt. Danach umfasst die Personensorge das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, gewaltfrei zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 und 2 BGB, § 11 BGB), die mit Ausbildung und Berufswahl einhergehenden Entscheidungen unter Beachtung von Fähigkeiten und Neigungen des Kindes wahrzunehmen (§ 1631a BGB; zu den notwendigen Maßnahmen des Familiengerichts zur Durchsetzung der Schulpflicht vgl. BGH, Beschluss v. 17.10.2007, XII ZB 42/07), im Notfall eine Unterbringung des Kindes zu veranlassen, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist (§ 1631b BGB), die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es dem oder den Personensorgeberechtigten widerrechtlich vorenthält (§ 1632 Abs. 1 BGB) und den Umgang des Kindes zu bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB).
Rz. 14
Dieser Katalog ist aber nicht abschließend. Darüber hinaus erfasst die Personensorge die Bestimmung des Vornamens, des Familiennamens (§ 1617 Abs. 1, § 1617a Abs. 2, § 1617b Abs. 1, § 1617c BGB), die Entscheidung über die Feststellung der Vaterschaft (§ 1600d, § 1600e Abs. 1 BGB) oder Anfechtung der Vaterschaft (§ 1600a Abs. 3 und 4 BGB), die Klärung der leiblichen Abstammung (§ 1598a BGB), die Mitwirkungsrechte im schulischen Bereich (OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2001, 19 B 1888/00), die Beteiligung im Jugendstrafverfahren (BVerfG, Urteil v. 16.1.2003, 2 BvR 716/01), die religiöse Kindererziehung (§ 1 REKG), die Einwilligung in eine Eheschließung (vgl. § 1303 Abs. 3 BGB), die Zustimmung zu einem Ehevertrag (§ 1411 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Einwilligung in ärztliche Behandlungen.
Rz. 15
Das gilt auch für einen Schwangerschaftsabbruch (OLG Hamm, Beschluss v. 17.7.1998, 15 W 274/98). Die dazu notwendige Zustimmung der Eltern kann gerichtlich ersetzt werden (§ 1666 Abs. 3 BGB), wenn die Entscheidung der Eltern sich als Missbrauch des Sorgerechts darstellt und dadurch das Wohl des Mädchens gefährdet wird. Diese Voraussetzungen haben Gerichte für gegeben erachtet, wenn die Eltern zwar eine Abtreibung ablehnen, dem Kind aber zugleich jede Unterstützung entziehen (OLG Naumburg, Beschluss v. 19.11.2003, 8 WF 152/03). Grundsätzlich wird aber in der verweigerten Zustimmung kein Sorgerechtsmissbrauch zu erkennen sein (OLG Hamm, Beschluss v. 17.7.1998, 15 W 274/98).
Rz. 16
Zur Entscheidung über ärztliche Maßnahmen gehört schließlich die Frage, ob eine künstliche Beatmung und Ernährung bei einem nach Unfall dauerhaft komatösen Kind abgebrochen wird (OLG Brandenburg, Beschluss v. 17.2.2000, 10 UF 45/99; OLG Hamm, Beschluss v. 24.5.2007, 1 UF 78/07). Ob diese Entscheidung einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, ist für den Bereich der elterlichen Sorge höchstrichterlich noch nicht geklärt. D...