Rz. 68
Gibt der Elternteil freiwillig Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und ist bereit, den angemessenen Unterhalt zu bezahlen, kann das Jugendamt eine entsprechende Verpflichtung beurkunden (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Aus dieser Urkunde kann die Zwangsvollstreckung betrieben werden, wenn sich der Elternteil der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (§ 60 Satz 1). Eine Abänderung dieses Titels kann nach § 323 ZPO erfolgen (§ 323 Abs. 4, der auch für Urkunden des Jugendamtes gilt: Bäumel, in: Weinreich/Klein, FamR, § 323 ZPO Rz. 14).
Rz. 69
Bei Verweigerung von Auskunft und/oder Zahlung ist es erforderlich, einen Unterhaltstitel in einem Gerichtsverfahren zu erlangen. Dazu stellt das Gesetz den Klageweg (§ 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, §§ 642 bis 644 ZPO) und das "Vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger" (§§ 645 ff. ZPO) zur Verfügung. Abänderungen der in diesen Verfahren erlangten Titel sind unter den Voraussetzungen der §§ 323, 655 ZPO möglich. Im Einzelnen gilt Folgendes:
2.2.3.1 Klageverfahren
Rz. 70
Verweigert der Elternteil bereits die Auskunft, kann im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) auf Auskunft, ggf. Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (vgl. Rz. 56 ff.) und Zahlung geklagt werden. Gibt der Elternteil Auskunft, verweigert aber Unterhaltszahlungen, ist unmittelbar eine Leistungsklage auf bezifferten Unterhalt zu erheben.
Rz. 71
Vertreten wird das Kind durch den alleinsorgeberechtigten Elternteil (§ 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Besteht eine gemeinsame elterliche Sorge, vertritt der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, es alleine (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB). Sind die Eltern miteinander verheiratet und leben die Eltern getrennt, kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, die Unterhaltsansprüche im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft nur im eigenen Namen geltend machen. Eine gerichtliche Entscheidung sowie ein Vergleich wirken auch für und gegen das Kind (§ 1629 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Rz. 72
Ausschließlich zuständig ist nach § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Familiengericht (§ 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO), bei dem das Kind oder der Elternteil, der es vertritt, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 13 ZPO i. V. m. §§ 7, § 11 BGB). Ist bereits eine Ehesache (§ 606 ZPO) anhängig oder wird während des Unterhaltsverfahrens eine Ehesache rechtshängig, ist das Familiengericht der Ehesache auch für das Unterhaltsverfahren zuständig (§ 642 Abs. 2 Satz 1, § 621 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Rz. 73
Mit Anhängigkeit der Unterhaltsklage oder Stellung eines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Unterhaltsverfahren (§§ 114 ff. ZPO) kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt werden (§ 644 ZPO). Dieses einstweilige Verfahren verdrängt die einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff., 940 ZPO (OLG Hamm, Urteil v. 10.5.2000, 11 UF 418/99; Philippi, in: Zöller, ZPO, § 644 Rz. 2, 3). Soweit die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs glaubhaft gemacht worden sind, kann über § 644 ZPO der volle Unterhalt geltend gemacht werden. Eine Beschränkung auf eine Quote oder den Regelbetrag ist nicht erforderlich (BT-Drs. 13/7338 S. 36; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 16.11.1998, 2 WF 68/98; Philippi, in: Zöller, ZPO, § 644 Rz. 7).
2.2.3.2 Vereinfachtes Verfahren
Rz. 74
Für die Vertretung des Kindes und die Zuständigkeit gelten die Ausführungen zu Rz. 71 f. entsprechend. Eine Abgabe an das Gericht der Ehesache findet aber nur statt, wenn das vereinfachte Verfahren in ein streitiges Verfahren übergeht (§ 642 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 651 ZPO).
Rz. 75
Das vereinfachte Verfahren (§§ 645 ff. ZPO) hat zum Ziel, schnell einen Unterhaltstitel über maximal das 1,2-fache des Mindestunterhalts gemäß § 1612a Abs. 1 BGB (vgl. dazu Rz. 28) unter Berücksichtigung des Kindergeldes (§ 1612b BGB; vgl. dazu Rz. 42) zu erhalten (§ 645 Abs. 1 ZPO) bzw. den Elternteil zu einer schnellstmöglichen Auskunft über seine Leistungsfähigkeit zu motivieren (§ 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Dazu ist ein Antrag erforderlich, der die inhaltlichen Voraussetzungen des § 646 ZPO erfüllt. Auf der Grundlage des Antrags fertigt das Familiengericht (gemäß §§ 3 Nr. 3a, 20 Nr. 10a RpflG der Rechtspfleger) eine Mitteilung an den Antragsgegner, aus dem sich seine Verpflichtungen ergeben (§ 647 ZPO). Dagegen kann der Antragsteller binnen eines Monats (§ 647 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO) Einwendungen nach § 648 ZPO erheben. Einwendungen zur Leistungsfähigkeit sind aber nur zu berücksichtigen, wenn er Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen erteilt und über seine Einkünfte Belege vorlegt (§ 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Werden keine oder nur unzulässige Einwendungen erhoben, setzt das Familiengericht nach Ablauf der Monatsfrist den Unterhaltsanspruch fest (§ 649 ZPO). Gegen den Beschluss, der nach § 794 Abs. 1 Nr. 2a ZPO ein Vollstreckungstitel ist, kann nach § 654 ZPO auf Abänderung geklagt werden, um eine Erhöhung oder Herabsetzung des Unterhalts zu erreichen. Sind Einwendungen berechtigt, wird...