Rz. 77
Erfolgt eine Verurteilung zur Zahlung zukünftiger Unterhaltsleistungen, ist jede Partei berechtigt, im Wege der Klage eine Abänderung des Urteils zu erreichen, wenn sich die für die Verurteilung zur Entrichtung des Unterhalts, die Bestimmung der Unterhaltshöhe oder die Dauer der Unterhaltspflicht maßgebenden Verhältnisse nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung wesentlich geändert haben (§ 323 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Die Abänderung kann grundsätzlich für den Zeitraum ab Erhebung der Klage (§ 253 Abs. 1 ZPO) verlangt werden (§ 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Eine rückwirkende Änderung ist ab dem Zeitpunkt möglich, in dem der Unterhaltsverpflichtete zu einer (weiteren, vgl. Rz. 59) Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde oder mit der zusätzlichen Unterhaltsschuld in Verzug geriet (§ 323 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 1613 Abs. 1 BGB, vgl. dazu Rz. 64 ff.).
Rz. 78
Eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse ist grundsätzlich anzunehmen, wenn der Unterhaltsanspruch um 10 % zu erhöhen oder zu reduzieren ist (OLG Nürnberg, Urteil v. 21.4.2004, 11 UF 2470/03). Unabhängig von diesem Richtwert kann aber bereits der Wechsel in eine andere Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle oder die Neufestsetzung der Unterhaltsbeträge der Düsseldorfer Tabelle eine Abänderung rechtfertigen (BGH, Urteil v. 23.2.2005, XII ZR 114/03; OLG Hamm, Urteil v. 30.4.2004, 11 WF 76/04). Zwar bilden die Unterhaltsrichtlinien selbst keine tatsächlichen Verhältnisse. Die Änderung der Richtwerte beruht aber auf den Änderungen der Lebenshaltungskosten und Einkommensverhältnisse seit der letzten Festsetzung.
Rz. 78a
Für die Anpassung vor dem 1.1.2008 erlassener Urteile an das seit dem 1.1.2008 in Kraft getretene neue Unterhaltsrecht gelten die Übergangsregelungen des § 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO. Danach ist die Änderung des Unterhaltsrechts nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in das Urteil zumutbar ist. Bei einer erstmaligen Abänderung aufgrund des neuen Unterhaltsrechts finden §§ 323 Abs. 2, 767 Abs. 2 ZPO keine Anwendung.
Rz. 79
Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für Unterhaltsvergleiche, die Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren (§ 649 ZPO, vgl. dazu Rz. 74 ff.), vom Notar und vom Jugendamt errichtete Urkunden, in denen sich der Unterhaltsschuldner zur zukünftigen Zahlung verpflichtet und der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (§ 323 Abs. 4 ZPO; § 36 Nr. 1 EGZPO). Auf Vergleiche und Urkunden finden § 323 Abs. 2 ZPO und § 323 Abs. 3 ZPO aber keine Anwendung. Sie sind deshalb rückwirkend uneingeschränkt abänderbar (BGH, GSZ, Urteil v. 13.5.1982, 2 AZR 87/90; BGH, Urteil v. 19.12.1989, IVb ZR 9/89; BGH, Urteil v. 11.4.1990, XII ZR 42/89). Für Unterhaltsfestsetzungen im vereinfachten Verfahren gilt der Vorrang des § 655 ZPO (§ 323 Abs. 5 ZPO). Eine Abänderung nach § 323 ZPO ist danach ausgeschlossen, wenn ausschließlich die Anrechnung von Kindergeld oder anderer kindbezogener Leistungen (§§ 1612b, 1612c BGB) angepasst werden soll.