Rz. 103

"Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein befriedigender Umgang mit Elternentfremdung und Kontaktabbruch noch nicht gefunden ist. Die mit diesen Konfliktsituationen befassten Institutionen und Professionellen sind noch auf einer sich erst koordinierenden Suche nach Strategien und möglichen Formen von Kooperation. Die Vielzahl der ungelösten Probleme macht deutlich, wie sehr es sich lohnt, im Einzelfall wie im Grundsätzlichen weiter nach Lösungen zu suchen." (Meysen, JAmt 2002 S. 1)

 

Rz. 104

Diese Einschätzung dürfte nach wie vor Aktualität beanspruchen. Zwar ist eine grundsätzlich gelungene materiell-rechtliche Grundlage für die Ausübung des Umgangsrechts vorhanden (§§ 1626 Abs. 3, 1684, 1685 BGB). Die Durchsetzung der Umgangskontakte scheitert aber immer wieder, weil zum einen die rechtlichen Grundlagen der Vollstreckung unzureichend sind und es zum anderen den Beteiligten nicht gelingt, die Paarebene von der Elternebene zu trennen und die Bindungen des Kindes an den anderen Elternteil zu tolerieren (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 18 Rz. 17). Darüber hinaus musste das BVerfG wiederholt feststellen, dass die Obergerichte den verfassungsrechtlich über Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährten Schutz des elterlichen Umgangsrechts weder materiell-rechtlich noch in der Verfahrensausgestaltung hinreichend beachten (BVerfG, Beschluss v. 18.1.2006, 1 BvR 526/04; BVerfG, Beschluss v. 24.7.2006, 1 BvR 971/03; BVerfG, Beschluss v. 26.9.2006, 1 BvR 1827/06; BVerfG, Beschluss v. 23.3.2007, 1 BvR 156/07; BVerfG, Beschluss v. 9.5.2007, 1 BvR 1253/06).

 

Rz. 105

Zusätzlich stehen das Kind und der Jugendliche einer wesentlich größeren Zahl umgangsberechtigter Personen gegenüber, deren unterschiedliche Ansprüche koordiniert werden müssen (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 18 Rz. 17; vgl. dazu BVerfG, Beschluss v. 24.7.2006, 1 BvR 971/03).

2.6.1 Leistungsinhalt und Anspruchsberechtigte

 

Rz. 106

§ 18 Abs. 3 gibt den Kindern und Jugendlichen einerseits sowie Eltern und anderen Umgangsberechtigten andererseits sowie schließlich den Personen, in deren Obhut sich das Kind oder der Jugendliche befindet, einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Unter "Obhut" ist jede tatsächliche Betreuung des Kindes gemeint, insbesondere Pflegepersonen i. S. d. § 1632 Abs. 4 BGB (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 18 Rz. 28; Tillmanns, in: Münchener-Kommentar, BGB, § 18 SGB VIII Rz. 10). Damit sind alle Personenkreise erfasst, die für eine im Interesse des Kindeswohls sinnvolle Umsetzung von Umgangskontakten verantwortlich sind (§§ 1684, 1685 BGB).

 

Rz. 107

Darüber hinaus soll der Träger der Jugendhilfe bei der Befugnis, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen (§ 1686 BGB), bei der Herstellung von Umgangskontakten oder bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen vermitteln und in geeigneten Fällen Hilfestellung leisten (vgl. § 1684 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 BGB). Maßnahmen zur Durchsetzung eines Umgangsrechts können nicht auf § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VIII gestützt werden (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.4.2016, 12 B 209/16).

2.6.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

2.6.2.1 Umgangsrecht der Eltern (§ 1684 BGB)

 

Rz. 108

Eltern i. S. d. Umgangsrechts sind ausschließlich die Eltern im Rechtssinne (§§ 1591, 1592, 1754 BGB), die die Verantwortung für das Kind tragen (§ 1626 Abs. 1 BGB). Weder den leiblichen Eltern nach der Adoption (vgl. § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch dem biologische Vater stehen Elternrechte zu (BVerfG, Beschluss v. 9.4.2003, 1 BvR 1493/96; OLG Saarbrücken, KindPrax 2003 S. 29; OLG Celle, Beschluss v. 26.7.2004, 10 UF 147/04; OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.3.2006, 15 UF 4/06). Zum Umgangsrecht des biologischen Vaters vgl. Rz. 128; zum Vaterschaftsanfechtungsrecht des biologischen Vaters vgl. § 17 Rz. 29 ff.

 

Rz. 109

Nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB gehört der Umgang mit beiden Elternteilen i. d. R. zum Wohl des Kindes. Dementsprechend hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil (§ 1684 Abs. 1 HS 1 BGB) und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 HS 2 BGB). Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder erschwert (§ 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dem sorgeberechtigten Elternteil obliegt es, Kontakte zum anderen Elternteil nicht nur zuzulassen, sondern positiv zu fördern, um dem Kind seelische Konflikte zu ersparen und Widerstände abzubauen (OLG Saarbrücken, Beschluss v. 21.12.2006, 9 UF 147/06; OLG Rostock, Beschluss v. 20.4.2006, 11 UF 57/01). Das gilt entsprechend, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet (§ 1684 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Gesetzgeber hat damit das Kindeswohl – vorbehaltlich der Besonderheiten des Einzelfalls – definiert. Es ist also nicht zu prüfen, ob ein Umgang mit beiden Eltern dem Kindeswohl dient, sondern nur zu fragen, ob im konkreten Fall Umstände gegeben sind, die im Interesse des Kindeswohls einer Ausübung des Umgangs entgegenstehen.

2.6.2.1.1 Einschränkung des Umgangs

 

Rz. 110

Nach § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB kann das Familiengericht das Umgangsrecht ein...

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