0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Vorgängervorschrift des § 21 ist § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JWG, der die Pflege und Erziehung von schulpflichtigen Kindern außerhalb der Schule regelte.

§ 21 wurde durch Art. 1 Nr. 19 des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 sowie das 2. ÄndG von 1995 neu gefasst. Die Kostenregelung in den Sätzen 2 und 3 wurde durch das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG) v. 10.12.2008 (BGBl. I S. 2403) an § 91 Abs. 5 i. d. F. des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) angepasst.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift unterstützt Personensorgeberechtigte, die wegen ihrer beruflichen Tätigkeit ständig Ortswechsel vornehmen müssen und hierdurch die Schulpflicht ihrer Kinder nicht sicherstellen können. Zunächst als sog. Schaustellerparagraph eingeführt, sind inzwischen auch andere Berufsgruppen denkbar, die hierunter fallen, wie z. B. Montagearbeiter, Reisegewerbetreibende und Binnenschiffer. Die Vorschrift wird teilweise als veraltet angesehen und sei mit der heutigen Lebenswirklichkeit kaum noch vereinbar (Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 21 Rz. 5).

Ziel ist es, die schulische Ausbildung der Kinder durch größere Kontinuität der Unterrichtsstoffe und beständigere Bezugspersonen, wie Lehrer und Schulfreunde, sicherzustellen und so Erziehungsproblemen vorzubeugen.

2 Rechtspraxis

2.1 Beruflich bedingter ständiger Ortswechsel des Personensorgeberechtigten

 

Rz. 3

Anspruchsvoraussetzung ist, dass

  1. die Personensorgeberechtigten wegen beruflich bedingter ständiger Ortswechsel die Erfüllung der Schulpflicht des Kindes oder Jugendlichen nicht sicherstellen können und dass
  2. eine anderweitige Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen notwendig ist (Wiesner/Wapler/Struck, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 21 Rz. 8).

Es müssen also beide Eltern oder der alleinerziehende Elternteil einen Reiseberuf ausüben. Tatbestandlich nicht erfasst sind z. B. Geschäftsreisende bzw. Berufstätige, die regelmäßig auch mehrere Tage abwesend sind (z. B. Vertreter im Außendienst, Piloten oder Reiseleiter (Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 21 Rz. 31). In diesen Fällen ist vor allem ein Ortswechsel nicht erforderlich. Der Schulbesuch des Kindes oder Jugendlichen ist in diesen Fällen gesichert und eine anderweitige Unterbringung des Kindes ist nicht erforderlich, soweit ein Personensorgeberechtigter vor Ort verbleibt. Hauptaugenmerk liegt bei den Berufsgruppen der Zirkusleute, Schausteller, Artisten und Binnenschiffer.

 

Rz. 4

(unbesetzt)

2.2 Anspruch auf Beratung und Unterstützung

 

Rz. 5

Der Anspruch der Personensorgeberechtigten bezieht sich zunächst auf ihre Beratung, d. h. auf die Benennung geeigneter Einrichtungen zur Unterbringung des Kindes sowie Erläuterungen zur Finanzierung dieser Maßnahme. Eine umfassende Beratung sollte außerdem andere Wege als die Unterbringung mit einbeziehen.

Bei der Entscheidung für eine Unterbringung besteht darüber hinaus die Hilfe in der praktischen Unterstützung bei der Unterbringung, z. B. in der Weitergabe von Adressen geeigneter Wohnformen oder der Abnahme von Behördengängen. Die Unterbringung ist in verschiedenen Formen denkbar, sei es in einem speziellen Heim oder Internat für Kinder der entsprechenden Berufsgruppen, in einer anderen Familie oder Wohngruppe.

2.3 Kostenübernahme für Unterbringung in einer geeigneten Wohnform, Unterhalt und Krankenhilfe

 

Rz. 6

Gemäß Satz 2 können die Kosten der Unterbringung "in geeigneten Fällen" in einer für das Kind oder den Jugendlichen geeigneten Wohnform einschließlich des notwendigen Unterhalts sowie der Krankenkasse übernommen werden. Mit der Änderung durch das Kinderförderungsgesetz wurde die Bedingung, dass dies dem Kind oder dem Jugendlichen und seinen Eltern aus ihren Einkommen und Vermögen nach Maßgabe der §§ 9193 nicht zuzumuten ist, gestrichen. Damit wurde eine Änderung umgesetzt, die durch den modifizierten § 91 Abs. 5 i. d. F. des KICK notwendig geworden war. § 91 Abs. 5 stellt generell klar, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten einer Leistung unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrags tragen (Grundsatz der erweiterten Hilfe). Damit kennt das SGB VIII keine Leistung mehr, deren Gewährung materielle Bedürftigkeit voraussetzt. Aufgrund eines Versehens des Gesetzgebers wurde dieser Grundsatz im Rahmen des KICK bei § 21 nicht unmittelbar umgesetzt. Dadurch, dass der bisherige Halbsatz in Satz 2 ("wenn uns soweit dies dem Kind oder dem Jugendlichen und seinen Eltern aus ihren Einkommen und Vermögen nach Maßgabe der §§ 91 bis 93 nicht zuzumuten ist.") gestrichen wurde, ist das Versehen nunmehr bereinigt worden. Satz 3 wurde entsprechend sprachlich angepasst (vgl. auch BT-Drs. 295/08 S. 24).

Wann ein "geeigneter Fall" gegeben, also der unbestimmte Rechtsbegriff erfüllt ist, bestimmt der Träger der Jugendhilfe. Seine Entscheidung ist insoweit gerichtlich voll überprüfbar. Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, dass durch die beruflich bedingten Ortswechsel die Schulpflicht nicht erfüllt werden kann. Vielmehr ist nach einer – noch zu der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. ...

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