Rz. 34
In Abs. 3 werden die in Abs. 2 benannten Förderziele im Sinne eines Aufgabenkatalogs umgesetzt. Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine gesetzliche Rangfolge, sondern um eine gleichwertige und gleichberechtigte Darstellung der einzelnen Förderungselemente (a. A. wohl Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 22 Rz. 68, der aus der Umstellung der Förderziele im Vergleich zu § 22 Abs. 2 a. F. eine Umstellung der Gewichtung schließt). Damit besteht ein umfassender und ganzheitlicher Arbeitsauftrag sowohl für die Betreuung in Tageseinrichtungen als auch für die Kindertagespflege (so auch Kaiser, in: LPK, § 22 Rz. 13).
Rz. 35
Die Aufgaben der "Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes" waren bislang in Abs. 2 a. F. aufgeführt. Neu ist hingegen die Inbezugnahme der sozialen, emotionalen, körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes. Ebenfalls neu sind Abs. 3 Satz 2 und 3, die die Vermittlung orientierender Werte und Regeln einbeziehen und die Ausrichtung der Förderung an Alter und Entwicklungsstand sowie sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, Lebenssituation und Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes unter Berücksichtigung der ethnischen Herkunft festlegen.
Rz. 36
Ziel dieser Neufassung eines Aufgabenkatalogs ist die Konkretisierung rechtlicher Grundlagen für den Ausbau und den Erhalt eines qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Angebots der Tagesbetreuung für Kinder. Durch eine umfassende Förderung sollen individuelle Nachteile besser ausgeglichen und Chancengleichheit geschaffen werden (BT-Drs. 15/3676 S. 21, 24); dies auch vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung des Gesetzgebers bislang der praktischen Umsetzung des in Abs. 3 Satz 1 HS 1 beschriebenen Bildungsauftrags nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet wurde (BT-Drs. 15/3676 S. 31 f.). So habe insbesondere auch die Vermittlung von Werten und Regeln besondere Bedeutung im Hinblick auf das Erziehungsziel der "eigenverantwortlichen Persönlichkeit" aus Abs. 2 Nr. 1 (BT-Drs. 15/3676 S. 32).
Rz. 37
Der Regierungsentwurf zur Neuregelung von Abs. 3 sah nach dem Wortlaut noch vor, dass die ethnische Herkunft gleichberechtigt neben den übrigen Kriterien des Satzes 3 aufgelistet wurde (BT-Drs. 15/3676 S. 11). In der verabschiedeten Gesetzesfassung ist hingegen nur noch deren Berücksichtigung konstatiert. Dies beruht auf einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend v. 27.10.2004 (BT-Drs. 15/4045 S. 10). Zur Begründung wurde angeführt, die Änderung diene der Klarstellung (BT-Drs. 15/4045 S. 35). Dem kann so nicht gefolgt werden. Durch die Änderung der Formulierung hat sich auch die Gewichtung der ethnischen Herkunft geändert. Eine Förderung, orientiert an der ethnischen Herkunft, enthält eine erheblich größere Bindungsverpflichtung als die bloße Berücksichtigung der ethnischen Herkunft. Allerdings dürfte die nunmehr gewählte Gesetzesformulierung eine höhere Praktikabilität aufweisen, da die verbindliche Orientierung an der ethnischen Herkunft in viel größerem Maße entsprechende Kenntnisse der Werte und Regeln der Herkunftsgesellschaft voraussetzen würde als man von den Betreuungsfachkräften erwarten kann.