Rz. 3
Abs. 1 verpflichtet den Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Gewährleistung einer Förderung von Kindern, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege. Dabei knüpft das Gesetz an eine besondere Bedarfslage an, die ihre Begründung entweder in dem Kind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) – wenn die Leistung für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist – oder in den Erziehungsberechtigten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) – wenn diese einer Erwerbstätigkeit nachgehen, diese aufnehmen, arbeitsuchend sind, an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teilnehmen, sich in der Ausbildung befinden oder Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II erhalten – finden kann. Die Regelung in Abs. 1 Nr. 1 wurde durch das KJSG um den Aspekt der Selbstbestimmung erweitert (BT-Drs. 19/26107 S. 82). Bereichsspezifisch soll die im gesamten Recht der Kinder- und Jugendhilfe im Vordergrund stehende individuelle Entwicklung um die Zielsetzung der Selbstbestimmung bereichert werden.
Rz. 4
Bereits Abs. 2 und 3 Satz 1 a. F. sahen eine Vorhaltepflicht für Plätze in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege für den Altersbereich unter drei Jahren und im schulpflichtigen Alter hinsichtlich eines bedarfsgerechten Angebots vor. In Abs. 3 a. F. hatte der Gesetzgeber Bedarfskriterien hinsichtlich der Betreuung von Kindern unter drei Jahren festgelegt, die er für die geltende Regelung des Abs. 1 bezüglich der Altersgruppe der Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, übernommen hat. Bereits mit der Vorschrift des Abs. 3 a. F. sollten objektivrechtliche Kriterien im Sinne von Mindestkriterien vorgegeben werden, die für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtend sind und keinen Raum lassen für eine eigene Bedarfsdefinition, die hinter diesen Kriterien zurücksteht (BT-Drs. 15/3676 S. 34). Bei der Formulierung der Mindestkriterien orientierte sich der Gesetzgeber zum Teil an landesrechtlichen Vorschriften in den insoweit wesentlich fortschrittlicher entwickelten neuen Bundesländern und teils an der Praxis in westdeutschen Großstädten, die bereits über eine qualifizierte Tagesbetreuung verfügten (BT-Drs. 15/3676 S. 34).
Rz. 5
Nach dem Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum KiföG sollte es für Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bei einer objektivrechtlichen Verpflichtung zur Vorhaltung von Plätzen bleiben (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 5). Hinsichtlich der Voraussetzungen bezüglich des Betreuungsumfangs und der erweiterten Kriterien wurde die Regelung des Abs. 3 a. F. übernommen (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 15). Dem Bundesrat war diese Neufassung des Abs. 1 zu weitgehend (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum KiföG, BT–Drs. 16/10173 S. 10). Die Fortgeltung einer besonderen Förderungsverpflichtung für Kinder unter einem Jahr über den 1.8.2013 hinaus sei nicht Gegenstand der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Betreuungsausbau und somit nicht von der zugesagten Bundesbeteiligung von 4 Mrd. EUR umfasst gewesen. Ferner berge die Regelung erhebliche finanzielle Risiken für die Länder, obgleich kein Bedarf für eine explizite Förderungsverpflichtung gegenüber den Kindern bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres ersichtlich sei. Die Regelung des Abs. 1 sei aus haushalterischen Gründen abzulehnen (BT-Drs. 16/10173 S. 10). Anknüpfend an die Regelung des Abs. 2 a. F. schlug der Bundesrat eine Formulierung vor, wonach für Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, "ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Kindertageseinrichtungen und den Kindertagespflege vorzuhalten" sei. In ihrer Gegenäußerung stimmte die Bundesregierung diesem Vorschlag des Bundesrates mit der Begründung nicht zu, dass es nicht akzeptabel sei, dass durch eine völlige Streichung von Bedarfskriterien ab dem Jahr 2013 Kinder im Alter unter einem Jahr schlechtergestellt seien, als sie in der Übergangsphase gestellt waren (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10173 S. 16). Die Bundesregierung erachtete die Fortgeltung der erweiterten Bedarfskriterien für die Förderung von Kindern unter einem Jahr auch nach dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum dritten Lebensjahr ab dem 1.8.2013 als zwingend notwendig. Auch für Kinder unter einem Jahr müsse ein objektivrechtlicher Maßstab gelten, der die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Ausgestaltung des Betreuungsangebots verpflichte und keinen Raum lasse für eine eigenständige Definition des Begriffs "bedarfsgerecht" vor Ort, die hinter den gesetzlichen Kriterien zurückbleibe. Es sollte sichergestellt werden, dass die Förderung der Altersgruppe der unter Einjährigen im Zuge der Realisierung des Rechtsanspruchs für Kinder ab dem ersten Lebensjahr bei der Vergabe von Betreuungsplätzen nicht aus dem Blick der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gerate (vgl. BT-Drs...