2.5.1 Prozessuale Durchsetzung
Rz. 39
Rechtsansprüche auf Bereitstellung oder Verschaffung eines Platzes in Tageseinrichtungen oder in Kindertagespflege nach Abs. 2 und Abs. 3 können gegen den örtlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Klageweg vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 27.11.1996, 4 M 4787/96; Georgii, NJW 1996 S. 686, 688). Statthafte Klageart zur Durchsetzung des Primäranspruchs auf den von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe geschuldeten Nachweis eines freien Platzes (vgl. dazu Rz. 15) ist, da es sich um einen Realakt handelt, die allgemeine Leistungsklage, womit es der Durchführung eines Vorverfahrens nicht bedarf (vgl. Kaiser, in: LPK, § 24 Rz. 20; Mayer, VerwArch 2013 S. 344, 363; Meysen/Beckmann, Rz. 377).
Rz. 40
Klagegegner ist der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Anspruch kann sich nicht gegen freie Träger richten. Denn diese werden durch Abs. 1 nicht verpflichtet, und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe können ihre aus Abs. 1 resultierende Verpflichtung auch nicht auf die freien Träger delegieren (Georgii, NJW 1996 S. 686, 688). Sie können die freien Träger zwar mit der Erfüllung ihrer Verpflichtung betrauen, bleiben für die tatsächliche Pflichterfüllung aber selbst verantwortlich.
Ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe weder in der Lage, einen Platz in einer eigenen Einrichtung bereitzustellen, noch einen solchen in einer Einrichtung eines freien Trägers zu verschaffen, so begründet Abs. 1 Satz 1 nicht etwa einen Anspruch auf Schaffung neuer Tageseinrichtungsplätze (BayVGH, Beschluss v. 2.12.2003, 7 CE 03.2722). Erst recht besteht kein Anspruch auf Errichtung und Unterstützung von Tageseinrichtungen bestimmter Prägung (VG Gera, Urteil v. 11.9.2001, 6 K 1016/99.GE). Allerdings kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet werden, die vorübergehende Überbelegung einer bestehenden Betreuungsgruppe in Kauf zu nehmen (OVG Niedersachsen, Beschluss v. 24.1.2003, 4 ME 596/02, NJW 2003 S. 1826).
Kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen freien Platz nichts nachweisen und damit den Primäranspruch nicht erfüllen, kommen auf der Sekundärebene Ansprüche auf Aufwendungsersatz (vgl. dazu Rz. 41 f.) oder Schadensersatzansprüche (vgl. dazu Rz. 43 ff.) in Betracht.
2.5.2 Anspruch auf Aufwendungsersatz
Rz. 41
Nachdem in Rechtsprechung und Literatur in der Vergangenheit verschiedene Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen bemüht wurden (etwa ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, ein Folgenbeseitigungsanspruch oder ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag, vgl. z. B. den Überblick bei Mayer, VerwArch 2013 S. 344, 366) hat das BVerwG mit Urteil v. 12.9.2013 entschieden, dass sich ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für einen selbstbeschafften Kinderbetreuungsplatz aus einer analogen Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 ergeben kann (BVerwG, Urteil v. 12.9.2013, 5 C 35/12 Rz. 26). Zur Begründung hat der Senat angeführt, dass die Sach- und Interessenlage, die bestehe, wenn der Jugendhilfeträger einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz nicht oder nicht rechtzeitig erfülle, mit derjenigen der Regelung des § 36a Abs. 3 Satz 1 wertungsmäßig vergleichbar sei (BVerwG, a. a. O., Rz. 38). Denn die nicht gewährte Kinderbetreuung, auf die für einen bestimmten Zeitraum ein Anspruch bestehe, lasse sich nicht verschieben und bliebe für diesen Zeitraum in irreversibler Weise unerfüllt (BVerwG, a. a. O.). Der Analogieschluss bezieht sich nach dem Senat dabei auf alle Tatbestandsmerkmale, weshalb es erforderlich ist, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf in Kenntnis gesetzt haben muss (BVerwG, a. a. O., Rz. 39).
Rz. 42
An dieser Entscheidung wird u. a. kritisiert, dass sich der Senat nicht über die für die Annahme einer Selbstbeschaffung erforderliche Qualität der Betreuung geäußert habe (vgl. Beutel, DVBl. 2014 S. 312). Anzuerkennen sind jedenfalls solche Aufwendungen, die erforderlich waren, um eine vergleichbare Tagesbetreuung durch die Inanspruchnahme externer Hilfe zu ermöglichen. Ein Ersatz von Aufwendungen für Eltern oder sonstige Verwandte, durch welche die Betreuung sichergestellt wurde, wird unbeschadet der Frage, ob im Hinblick auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen (§ 117 BGB) überhaupt vertragliche Verpflichtungen innerhalb der Familie begründet worden sind, regelmäßig mangels Qualifikation der Großeltern bzw. Verwandten ausscheiden (a. A. Mayer, VerwArch 2013 S. 344, 377; vgl. auch Grube, in: Hauck/Noftz, § 24 Rz. 45, nach dem auch ein Aufwendungsersatz für ein Zurückgreifen auf ein Au-pair-Mädchen ausscheiden, jedoch ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen soll). Im Ergebnis ist der Anspruch auf Aufwendungsersatz der Höhe nach auf die Kosten beschränkt, die in Relation zum Erfolg verhältnismäßig sind (Georgii, NJW 1996 S. 686, 690 f.).
Maßgeblich dafür, ob ...