Rz. 41
Nachdem in Rechtsprechung und Literatur in der Vergangenheit verschiedene Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen bemüht wurden (etwa ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, ein Folgenbeseitigungsanspruch oder ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag, vgl. z. B. den Überblick bei Mayer, VerwArch 2013 S. 344, 366) hat das BVerwG mit Urteil v. 12.9.2013 entschieden, dass sich ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für einen selbstbeschafften Kinderbetreuungsplatz aus einer analogen Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 ergeben kann (BVerwG, Urteil v. 12.9.2013, 5 C 35/12 Rz. 26). Zur Begründung hat der Senat angeführt, dass die Sach- und Interessenlage, die bestehe, wenn der Jugendhilfeträger einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz nicht oder nicht rechtzeitig erfülle, mit derjenigen der Regelung des § 36a Abs. 3 Satz 1 wertungsmäßig vergleichbar sei (BVerwG, a. a. O., Rz. 38). Denn die nicht gewährte Kinderbetreuung, auf die für einen bestimmten Zeitraum ein Anspruch bestehe, lasse sich nicht verschieben und bliebe für diesen Zeitraum in irreversibler Weise unerfüllt (BVerwG, a. a. O.). Der Analogieschluss bezieht sich nach dem Senat dabei auf alle Tatbestandsmerkmale, weshalb es erforderlich ist, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf in Kenntnis gesetzt haben muss (BVerwG, a. a. O., Rz. 39).
Rz. 42
An dieser Entscheidung wird u. a. kritisiert, dass sich der Senat nicht über die für die Annahme einer Selbstbeschaffung erforderliche Qualität der Betreuung geäußert habe (vgl. Beutel, DVBl. 2014 S. 312). Anzuerkennen sind jedenfalls solche Aufwendungen, die erforderlich waren, um eine vergleichbare Tagesbetreuung durch die Inanspruchnahme externer Hilfe zu ermöglichen. Ein Ersatz von Aufwendungen für Eltern oder sonstige Verwandte, durch welche die Betreuung sichergestellt wurde, wird unbeschadet der Frage, ob im Hinblick auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen (§ 117 BGB) überhaupt vertragliche Verpflichtungen innerhalb der Familie begründet worden sind, regelmäßig mangels Qualifikation der Großeltern bzw. Verwandten ausscheiden (a. A. Mayer, VerwArch 2013 S. 344, 377; vgl. auch Grube, in: Hauck/Noftz, § 24 Rz. 45, nach dem auch ein Aufwendungsersatz für ein Zurückgreifen auf ein Au-pair-Mädchen ausscheiden, jedoch ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen soll). Im Ergebnis ist der Anspruch auf Aufwendungsersatz der Höhe nach auf die Kosten beschränkt, die in Relation zum Erfolg verhältnismäßig sind (Georgii, NJW 1996 S. 686, 690 f.).
Maßgeblich dafür, ob ein Aufwendungsersatzanspruch in analoger Anwendung des § 36a Abs. 3 besteht, ist nicht der Umstand, ob das betroffene Kind mit einem wie auch immer gearteten Betreuungsplatz versorgt ist, sondern ob der Träger der Jugendhilfe den auf Verschaffung eines entsprechenden Platzes durch aktives Handeln gerichteten Primäranspruch nach § 24 Abs. 2 erfüllt hat (BVerwG, Beschluss v. 20.12.2017, 5 B 9/17 Rz. 7). Das BVerwG hat bislang offengelassen, ob im Rahmen des Anspruchs auf Aufwendungsersatz nach § 36a Abs. 3 Satz 1 die vorherige Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz geboten ist. Ein Nachsuchen um vorläufigen Rechtsschutz kann nur dann verlangt werden, wenn dies dem Betroffenen zumutbar ist, was nicht der Fall ist, wenn eine Abhilfe auch dann nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn die Sorgeberechtigten von Anfang an versucht hätten, den Primäranspruch im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen (BVerwG, Beschluss v. 20.12.2017, 5 B 9/17 Rz. 16). Den Nachweis einer (behaupteten) Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu führen (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 8.12.2016, 12 S 1782/15 Rz. 55). Der Umfang der nach § 36a Abs. 3 Satz 1 vom Träger der Jugendhilfe zu übernehmenden Aufwendungen entspricht i. d. R. dem Betrag, der bei rechtzeitiger Gewährung der Hilfe entsprechend den zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre. Können die Anspruchsteller die erforderliche Hilfe zu diesen Konditionen jedoch selbst nicht beschaffen, etwa weil diese durch erhebliche staatliche Förderungen unter dem ansonsten Üblichen gehalten wird, so haben sie Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die sie bei rechtmäßigem Handeln des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe erspart hätten (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 8.12.2016, 12 S 1782/15 Rz. 55). In der Höhe orientiert sich der Aufwendungsersatz an § 670 BGB. Der Anspruch unterliegt weder dem Mehrkostenvorbehalt des § 5 Abs. 2 Satz 2 noch sind die Anspruchsteller verpflichtet, einen Leistungserbringer zu wählen, mit dem der Träger eine Vereinbarung nach § 78b abgeschlossen hat. Zu erstatten sind damit i. d. R. diejenigen Aufwendungen, die der Selbstbeschaffer unter Berücksichtigung der Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln nach Lage der Dinge für erforderlich halt...