Rz. 31
Abs. 2 regelt die Grundlagen der Erbringung der Hilfe. Satz 1 beinhaltet dabei die gesetzlichen Regelbeispiele. Satz 2 stellt die Grundanforderungen für die Auswahl auf und Satz 3 stellt den Grundsatz der Inlandserbringung auf. Es besteht bei der Erbringung der Leistung kein Auswahlermessen; dies ergibt sich aus der Formulierung in Abs. 2 Satz 1 "wird gewährt" (so zutreffend Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand 10/2006, § 27 SGB VIII, Rz. 33). Ein insoweit hinreichendes Korrektiv bietet die in Abs. 1 eingefügte Voraussetzung für die Hilfegewährung dem Grunde nach, dass Hilfe für die Entwicklung Kindes oder eines Jugendlichen geeignet und notwendig sein muss. Dieses Korrektiv ist auch bei der Auswahl der Hilfe anzuwenden. Eine konkrete Hilfe muss sich daher im Einzelfall ebenfalls als geeignet und notwendig erweisen. Diese Doppelfunktion der Begriffe Eignung und Notwendigkeit einerseits auf der Seite des Tatbestands und andererseits auf der Seite der Rechtsfolge verdeutlicht die Intention des Gesetzgebers, den Rechtsanspruch auf die konkrete einzelne Hilfeart zu erstrecken (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 10/2006, 35. Ergänzungslieferung 2023, § 27 SGB VIII Rz. 18, 33).
Rz. 32
Bei der Entscheidung des Jugendhilfeträgers über die Geeignetheit einer Hilfeart handelt es sich nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Entscheidung v. 24.6.1999, 5 C 24/98) um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 58). Bei der Auswahl der konkreten Hilfeart besteht daher eine Einschätzungsprärogative des Jugendhilfeträgers (so ausdrücklich Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 10/2006, 35. Ergänzungslieferung 2023, § 27 SGB VIII Rz. 25), damit eröffnet gerade das Merkmal der Geeignetheit bei der Entscheidung des Jugendhilfeträgers bei der Auswahl der Hilfeart einen Beurteilungsspielraum; jedenfalls dann, wenn das Verfahren nach § 36 Abs. 2 zur Auswahl der Hilfeart eingehalten wurde (zum eröffneten Beurteilungsspielraum vgl. auch: OVG des Saarlandes, Beschluss v. 1.4.2022, 2 B 46/22). Bei der Entscheidung darüber, welche Hilfeart im Einzelfall geeignet und notwendig ist, besitzt der Jugendhilfeträger einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist (vgl. stellv. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 12.4.21, 12 E 131/21; für die Literatur vgl. stellv. Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 107). Die gerichtliche Kontrolldichte ist dabei aufgrund der Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 36a Abs. 1 Satz 1) beschränkt (BVerwG, Urteil v. 9.12.2014, 5 C 32.13 Rz. 30). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und ob die Leistungsadressaten ausreichend beteiligt worden sind (BVerwG, Urteil v. 9.12.2014, 5 C 32.13 Rz. 30; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.3.2020, 10 LA 292/18 Rz. 14). In diesem Fall ist das erkennende Gericht gehalten, die Einschätzung der Fachkräfte gelten zu lassen; die gerichtliche Kontrolldichte erstreckt sich dann nur auf die üblichen überprüfbaren Beurteilungsfehler, wie Eignungsbegriff generell verkannt, von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen, allgemein gültige Beurteilungsmaßstäbe eingehalten sowie keine sachfremden Erwägungen angestellt (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 10/2006, 35. Ergänzungslieferung 2023, § 27 SGB VIII Rz. 29). Dem Jugendamt steht daher auch bei der Frage der Geeignetheit von Pflegepersonen i. S. d. §§ 27, 33 ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (zutreffend: OVG Lüneburg, Beschluss v. 29.3.2023, 14 PA 355/22).
Rz. 32a
Ein Anspruch auf die jeweils begehrte Hilfemaßnahme kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Hilfe auf eine oder mehrere gleichermaßen geeignete und notwendige Maßnahmen verengt hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 5.4. 2022, 12 A 3242/20; vgl. auch die Komm. zu § 34 Rz. 21a).
2.2.1 Gesetzliche Regelbeispiele nach Satz 1
Rz. 33
Satz 1 regelt, dass die Hilfe zur Erziehung insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt wird; hierbei handelt es sich um (primär) sozialpädagogische, erzieherische Hilfen (OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.3.2020, 10 LA 292/18 Rz. 15); Abs. 3 verdeutlicht dies für die im Zusammenhang mit der Hilfe zur Erziehung häufig wichtigen therapeutischen Leistungen bei Ausbildungs- und Beschäftigungshilfen (OVG Lüneburg, a. a. O.; vgl. insoweit auch die Komm. zu Abs. 3). Der Begriff "insbesondere" macht deutlich, dass es sich um einen offenen Leistungskatalog handelt. Der Gesetzgeber hat diese Regelbeispiele aufgenommen, um dem Leistungsberechtigten ausreichende Informationen über das Leistungsangebot zu geben (BT-Drs. 11/5948 S. 69); die Normierung der Regelbeispiele dient daher der Transparenz d...