Rz. 48
Nach Abs. 3 Satz 1 umfasst die Hilfe zur Erziehung; insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen (vgl. hierzu instruktiv auch OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.3.2020, 10 LA 292/18 Rz. 12 ff.). Damit hat der Gesetzgeber nur einen allgemeinen Rahmen abgesteckt. Der Begriff "pädagogische Leistungen" in Abs. 3 ist nicht als weitere Hilfeart neben den Leistungen des Abs. 2 zu verstehen; das ergibt sich auch aus der Formulierung "insbesondere", der den regelbeispielhaften Charakter dieser Leistung unterstreicht. Der Begriff "pädagogische Leistungen" bezieht sich vielmehr auf pädagogische Aspekte, die immer ein wesentlicher Bestandteil der Hilfe zur Erziehung sind (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 93, die zurecht auf den weiten Rahmen nach § 3 Abs. 1 verweist, wonach die Jugendhilfe gekennzeichnet ist durch unterschiedliche Wertorientierungen und durch eine Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen). Eine isolierte Gewährung therapeutischer Leistungen als Hilfe zur Erziehung ohne einen Bezug zur pädagogischen Ausrichtung der Hilfe zur Erziehung ist daher nicht möglich (OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.3.2020, 10 LA 292/18 Rz. 15); deshalb scheiden auch Therapien, die ausschließlich der Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert dienen, als Leistungsbestandteil der Hilfe zur Erziehung aus. Diese Leistungsart hat daher stets (nur) eine flankierende Funktion zu einer nach §§ 28 ff. zu gewährenden Hilfe.
Macht ein Betroffener eine solche flankierende therapeutische oder pädagogische Maßnahme geltend, hat er darzulegen und nachzuweisen, dass die begehrte Maßnahme die Hilfe zur Erziehung tatsächlich auch flankiert, indem sie den pädagogischen Prozess unterstützt, fördert und/oder erst wieder ermöglicht (OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.3.2020, 10 LA 292/18 Rz. 23). Hilfe soll dabei grundsätzlich insbesondere pädagogisch und therapeutisch orientiert sein (vgl. bereits unter Rz. 33 Auswahl der Hilfe nach Satz 2.); Abs. 3 Satz 1 flankiert daher die Maßnahmen nach Abs. 2 Satz 1. Auf der sozialpädagogischen Ausrichtung liegt daher ein Schwerpunkt der Hilfe zur Erziehung. Mit der sozialpädagogischen Familienhilfe hat der Gesetzgeber in § 31 insoweit ein eigenständiges Hilfeinstrument der Hilfe zur Erziehung als besondere Ausprägung dieser Hilfeart normiert. Danach soll sozialpädagogische Familienhilfe durch intensive Betreuung und Begleitung von Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Zu den therapeutischen Verfahren gehören neben der Psychotherapie auch andere therapeutische Maßnahmen wie eine Beschäftigungs-, Kunst-, Gestaltungs-, Bewegungs- oder Musiktherapie oder sonstige körperorientierte Therapien (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 94). Da Hilfe zur Erziehung primär der Förderung der Entwicklung und der Erziehung zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit dient, können solche therapeutischen Maßnahmen flankierend bewilligt werden (Nellissen, a. a. O.).