Rz. 67
Die Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. haben erhebliche praktische Bedeutung. Im Jahr 2018 sind mehr als eine Million Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. durchgeführt worden (Beckmann/Berneiser, ZKJ 2021, 4, 8 unter Bezugnahme auf den ASD-Report 2020, 1). Ein möglicher Anstieg von Kinderschutzfällen durch die Corona-Pandemie ist noch nicht abschließend zu beantworten (vgl. zu den Auswirkungen der Pandemie bei Beckmann/Berneiser, ZKJ 2021, 4, 6).
Rz. 68
Zahlungen eines Landkreises an eine Sozialpädagogin für eine sozialpädagogische nachmittägliche Betreuung sind nicht gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, weil solche Geldleistungen nicht als uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen anzusehen sind (Niedersächs. FG, Urteil v. 14.4.2020, 9 K 21/19). Zahlungen des Jugendamts für die Vollzeitbetreuung von Kindern bzw. Jugendlichen im Haus des Steuerpflichtigen, der eine sog. Erziehungsfachstelle betreibt, sind nicht als steuerfreie Beihilfe, sondern als steuerpflichtiges Entgelt zu behandeln, wenn es sich bei der Betreuung um eine erzieherische Tätigkeit auf der Basis eines entgeltlichen Austauschgeschäfts handelt (FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.10.2022, 4 K 931/20; mit Anm. von: Nellissen, jurisPR-SozR 18/2023 Anm. 5). Diese Frage, ob Zahlungen des Jugendamts auf der Grundlage von § 27 i. V. m. § 35a SGB VIII für die Vollzeitbetreuung von Kindern im Haus des Steuerpflichtigen, der eine sog. Erziehungsfachstelle betreibt, als steuerpflichtiges Entgelt oder steuerfreie Beihilfe i. S. d. § 3 Nr. 11 EStG zu behandeln sind, ist gegenwärtig Gegenstand eines anhängigen Verfahrens beim BFH (dortiges Az.: VIII R 19/22; vgl. auch Vorinstanz: FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.10.2022, 4 K 931/20). Auch Pflegegelder, die für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher in einer Einrichtung i. S. d. § 34 gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung (BFH 8. Urteil v. 30.11.2022, VIII R 13/19, mit Anm. von: Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 17/2023 Anm. 2).
Rz. 69
Der Gesetzgeber hat für die Eingliederung niedrigschwelliger Unterstützungsangebote durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) in den Katalog erzieherischer Hilfen nach §§ 27 ff., damit Leistungsberechtigte präventiv erreicht werden können, einen einmaligen Erfüllungsaufwand von 868.000 EUR sowie weitere 775.000 EUR durch das Umsetzungskonzept für die Möglichkeit zur Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten für Kinder und Jugendliche außerhalb einer Einrichtung für die Wirtschaft geschätzt (BR-Drs. 5/21, Anlage, S. 4 = BT-Drs. 19/26107 S. 138).
Rz. 70
Nicht sorgeberechtigte Eltern sind gegenüber der Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. nicht klagebefugt (zutreffend VG Karlsruhe, Urteil v. 8.3.2022, 8 K 1260/21; mit Anm. in JAmt 2022, 414).
Rz. 70a
Mit einer Sorgerechtsvollmacht kann ein Elternteil den anderen bevollmächtigen, allein das Sorgerecht auszuüben und so zur Beilegung von Konflikten sowie zur Minimierung des Kontakts zwischen den Elternteilen beitragen. Der BGH hat zwar geurteilt, dass dem sich aus der gesetzlichen Gesamtvertretung des minderjährigen Kindes durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern ergebenden Bedürfnis für eine Autorisierung eines Elternteils zur alleinigen Wahrnehmung elterlicher Vertretungsbefugnisse durch Erteilung einer Vollmacht entsprochen werden kann (BGH, Beschluss v. 29.4.2020, XII ZB 112/19, BGHZ 225, 184-198). Offen gelassen aber hat der BGH aber, wie sich dies auf die Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. auswirkt. Laut DIJuF (DIJuF-Rechtsgutachten 19.7.2023, SN_2023_0833 Ho, JAmt 2023, 461-466) umfasst aber eine solche Generalvollmacht auch das Erteilen eines Einverständnisses in die Hilfe zur Erziehung. Allerdings geht das DIJuF davon aus, dass Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten aufgrund des Charakters der elterlichen Sorge als pflichtgebundenes, auf das Wohl des Kindes bezogenes Recht bei gemeinsamer elterlicher Sorge zwar keine höchstpersönliche Entscheidung beider sorgeberechtigten Elternteilen nach außen, wohl aber im Innenverhältnis deren auf die Einzelfallentscheidung bezogenes Einverständnis voraussetzt. Eine ohne Einverständnis im Innenverhältnis und ohne Vorliegen von Gefahr im Verzug abgegebene Erklärung nur eines sorgeberechtigten Elternteils ist danach im Außenverhältnis nach allgemeinen Regeln wirksam, wenn kein offensichtlicher Missbrauch der Sorgerechtsvollmacht vorliegt.
Rz. 70b
Ob eine Einzelfallhelferin im Bereich der ambulanten Hilfen gemäß § 27 i. V. m. §§ 30, 31 beschäftigt und damit in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig ist, ist eine Einzelfallentscheidung. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV (Hessisches LSG, Urteil v. 24.8.2023, L 8 BA 13/20, Rn. 43, hier die Versicherungspflicht verneinend und Selbständigkeit bejahend). Ein vereinbartes Honorar, das deutlich über dem Arbeitsentgelt eines v...