0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 27 ist derzeit i. d. F. des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) seit 10.6.2021 in Kraft. Die in §§ 27 ff. geregelte Hilfe zur Erziehung gehörte zu den Schwerpunkten des Gesetzgebers im Kinder- und Jugendhilferecht. Es war zentrales Anliegen bei der Ablösung des Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) zum 1.1.1991, die Verbesserung von Hilfen für Familien in besonderen Lebenssituationen und insbesondere eine gesetzliche Verankerung ambulanter und teilstationärer Erziehungshilfen neben den klassischen Formen der Pflegefamilien und der Heimerziehung zu schaffen.
Rz. 2
Ausgangspunkt der Hilfegewährung ist dabei das Spannungsverhältnis zwischen der grundgesetzlich geschützten Erziehungsverantwortung der Eltern (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. auch § 1 Abs. 1) und dem ebenfalls im Grundgesetz verankerten "Wächteramt des Staates" (Art. 6 Abs. 2 GG). Gegenüber dem JWG, welches einen Schwerpunkt auf ein eingriffs- und ordnungsrechtliches Instrumentarium des Jugendamtes legte, hat der Gesetzgeber mit der Überführung der Materie in das SGB VIII durch das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz — KJHG) ein präventiv orientiertes Leistungsgesetz geschaffen, welches Eltern bei ihren Erziehungsaufgaben und damit indirekt die Erziehungssituation von Kindern und Jugendlichen unterstützen (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 1, 42; der Gesetzgeber hatte bereits in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebten Jugendbericht kritisiert, dass das JWG in seiner Grundkonzeption auf das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 zurückgeht und trotz mehrfacher Novellierungen von seinem Ansatz her noch immer polizei- und ordnungsrechtlichem Denken verhaftet war; BT-Drs. 10/6730 S. XI, zur Zielsetzung). Dieser Perspektivwechsel der Jugendhilfe wird bei den Hilfen zur Erziehung, aber auch bei der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a besonders deutlich. Denn diese sind ausschließlich als Leistungsanspruch ausgestaltet und nicht mehr – wie zum Teil im JWG – als Eingriffsrecht der öffentlichen Jugendhilfe.
Rz. 3
Die Vorschrift ist dann mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) zum 1.4.1993 insoweit geändert worden, dass Abs. 4 ersatzlos gestrichen wurde, der regelte, dass Hilfe zur Erziehung auch die Maßnahmen der Eingliederungshilfe umfasst. Der Gesetzgeber hat dann den ersten Unterabschnitt des Vierten Abschnitts die Hilfen zur Erziehung durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) geändert (vgl. BGBl. I S. 2729). Zielsetzung war hierbei, die seit Inkrafttreten des SGB VIII gewonnenen Praxiserfahrungen einzubringen und rechtliche Zweifelsfragen klarstellend zu regeln. Daneben sollten die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe besser zu steuern sein, die Verwaltung der Leistungen sollte vereinfacht und eine größere Wirtschaftlichkeit erzielt werden (vgl. Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drs. 15/3676 S. 1). Das KICK hat der Vorschrift des § 27 in der bisher geltenden Form zum 1.10.2005 einige Ergänzungen hinzugefügt: Dem Abs. 2 wurde der neue Satz 3 angefügt, ferner wurden die gänzlich neuen Abs. 2a und 4 angefügt. Die Gesetzesänderung durch das BKiSchG zum 1.1.2012, welche das SGB VIII teilweise deutlich modifizierte, hat die Hilfen zur Erziehung in §§ 27 bis 35 unverändert gelassen. Lediglich die Gewährung von Hilfen zur Erziehung voraussetzende Vorschrift des § 37, Zusammenarbeit bei Hilfen außerhalb der Familie, wurde erweitert.
Rz. 4
Durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde § 27 mit Wirkung zum 10.6.2021 modifiziert. Durch Art. 1 Nr. 25 Buchst. a des KJSG wurde § 27 Abs. 2 Satz 3 vollständig neu geregelt; die Regelung über die Inlands- bzw. die Auslandsleistungserbringung wurde an dieser Stelle vollständig gestrichen, stattdessen hat der Gesetzgeber eine Kann-Regelung über die Kombination unterschiedlicher Hilfearten geschaffen. An die Stelle der Inlands- und Auslandsleistungserbringung tritt der neu geschaffene § 38, der nunmehr eine deutlich umfassendere Regelung über die Zulässigkeit von Auslandsmaßnahmen enthält (vgl. Komm. zu § 38 n. F.); § 38 a. F., der bis zum 9.6.2021 die Regelungen über die Vermittlung bei der Ausübung der Personensorge nach § 1688 Abs. 3 Satz 1 BGB enthielt, ist in einem neuen Abs. 3 des § 37 aufgegangen. Durch Art. 1 Nr. 25 Buchst. b Doppelbuchst. aa wurde des Weiteren § 27 Abs. 3 Satz 2 neu geregelt; die in Kraft gesetzte Fassung erhielt der Satz 2 erst durch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss); vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 31. Die Regelung beinhaltet nunmehr ebenfalls eine Kann-Regelung über die Kombination von Leistungen nach § 13 Abs. 2 mit anderen Leistungen nach dem SGB VIII. Abschließend wurde durch Art. 1 Nr. 25 Buchst. b Doppelbuchst. bb ein neuer Satz 3 a...