Rz. 8

Erziehungsberatung soll für spezielle Problembereiche gewährt werden. Im Zuge der Doppelfunktion der Eignung und Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung auch bei der Auswahl der richtigen Hilfeart sind darüber hinaus im Besonderen auch die Funktion der Erziehungsberatung nach § 28 Satz 1 zu berücksichtigten. Die Vorschrift benennt hier einen Aufgabenkatalog, der wie bei der Kinder- und Jugendhilfe üblich weit gefasst ist, jedoch ungewöhnlich präzise Vorgaben an Methodik und Fachlichkeit macht. Anlass für eine Hilfe sind demnach sowohl individuelle als auch familienbezogene Probleme, Erziehungsfragen, Trennung und Scheidung. Damit sind die typischen Regelfälle erfasst, insbesondere die unterschiedlichen Ausformungen familienbezogener Problembereiche. Gerade bei einer Trennungs- und oder Scheidungssituation stellt sich die Erziehungsberatung regelmäßig als notwendig und geeignet dar. Die Betonung der hiervon abgrenzbaren individuellen Problemlagen macht klar, dass ein Hilfsanspruch auch bei Gefährdungen besteht, welche nicht im Familienkontext zu suchen sind. Hierunter wird man Schulprobleme zählen können, Drogenabhängigkeit Jugendlicher, Alkoholmissbrauch, Verhaltensauffälligkeiten, Sprachschwierigkeiten, körperliche und emotionale Schwierigkeiten, Entwicklungsverzögerungen, migrationsbedingte Problemlagen, Auffälligkeiten im Sozialverhalten usw. Angesichts des vom Gesetzgeber gewollt niedrigschwelligen Zugangs zur Erziehungsberatung (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 69), der Ratsuchenden möglichst unbürokratisch Zugang zu einer Erziehungsberatung ermöglichen soll, ist ein großzügiger Maßstab bei der Einbeziehung spezifischer Problemlagen angezeigt. Klärungsbedürftige Erziehungsfragen können sein die Höhe des Taschengeldes, der Umfang von Fernsehkonsum (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 28 Rz. 35) oder die Nutzung von Medien und Internet. Hierzu gehören auch Fragen der religiösen Ausrichtung, wie Taufe, Konfirmation und Kommunion.

 

Rz. 9

Erziehungsberatung soll insbesondere angeboten werden bei Problemen, welche sich aus Trennung und Scheidung ergeben. Beratungsangebote hierfür sind auch bereits in § 17 vorgesehen, sodass im Einzelfall eine Abgrenzung schwierig sein kann. Dieses Hilfsangebot wurde jedoch bewusst mit in die Erziehungsberatung aufgenommen, da Trennung und Scheidung häufig Anlass und Ursache tiefgreifender Störungen für Eltern, Kinder und Jugendliche sind. Es wird oftmals ein Anlass nicht nur für eine allgemeine Familienförderung nach § 17 bestehen, sondern gerade auch eine intensive und langfristig angelegte Hilfe zur Erziehung erforderlich sein. Im Übrigen setzt eine als Hilfe zur Erziehung nach § 28 ausgestaltete Erziehungsberatung bei Trennung und Scheidung das Vorliegen einer Gefährdungslage für das Kindeswohl voraus. Eine Beratung nach § 17 stellt diese Voraussetzung nicht auf, sondern soll bereits auf einer früheren, präventiven Ebene eingreifen.

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