Rz. 13
Der Gesetzgeber macht in Satz 2 der Vorschrift auch Vorgaben an die Fachlichkeit und die Methodik der Hilfeleistung macht. Bei der Hilfeberatung sollen verschiedene Fachkräfte aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenwirken. Dieses Zusammenwirkungsgebot hat der Gesetzgeber insbesondere auch bei der Hilfeplanerstellung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 normiert. Die Verpflichtung dient der Qualitätssicherung und damit insbesondere den Interessen der Leistungsempfänger an einem möglichst wirkungsvollen Instrument der Hilfegewährung durch Erziehungsberatung. Zudem sollen diese mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut sein. Dies stellt zunächst Anforderungen an die multidisziplinäre personelle Besetzung der Erziehungsberatungsstellen. Als Fachkräfte gelten vor allem folgende Personen: Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Psychologen, allgemeine Ärzte, Ärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Heilpädagogen, Erzieher, ggf. auch Juristen. Die multidisziplinäre personelle Besetzung soll nach der Regierungsbegründung einen differenzierten Zugang zur spezifischen Situation der Klienten ermöglichen, unterschiedliche Sichtweisen einbeziehen und eine besondere Flexibilität bei der Auswahl der Behandlungs- und Therapieangebote mit sich bringen (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 70). Daher sollte das Fachteam einer Erziehungsberatungsstelle mindestens 3 Fachkräfte umfassen. Der Begriff der Fachkraft ist in § 72 Abs. 1 definiert als Personen, die eine ihrer Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben. Ersatzweise ist ausreichend, dass diese Personen aufgrund besonderer Erfahrungen in der Jugendhilfe in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, wobei je nach Aufgabe nur Fachkräfte mit besonderer Zusatzausbildung zu beauftragen sind, § 72 Abs. 1 Satz 2. Da die Aufgabe der Erziehungsberatung nicht Psychotherapie im heilkundlichen Sinne umfasst, müssen die eingesetzten Psychologen zwar keine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz besitzen. Dennoch ist es wünschenswert, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten i. S. d. Psychotherapeutengesetzes Bestandteil des Teams sind (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 06/2021, Werkstand: 2023, § 28 SGB VIII, Rz. 17a). Dabei verlangt das Gebot zur Zusammenwirkung nicht, dass diese Fachkräfte aus verschiedenen Fachrichtungen kommen; Fachkräfte derselben Fachrichtung können daher ebenso zusammenwirken wie eine Verwaltungsfachkraft und ein Sozialarbeiter/Sozialpädagoge oder jede andere Fachkraft i. S. v. § 72 Abs. 1. Die Fachkräfte müssen daneben für ihre Aufgabe in der Erziehungsberatung auch persönlich geeignet sein (zur Eignung und zum Erlangen der Befähigung zum Ausgleich von Defiziten der Erziehung von Kindern und Jugendlichen i. S. d. §§ 27 bis 35 vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.9.2018, 4 A 2150/16). Dies wird nach § 72a mit u. a. der Pflicht der Vorlage eines (erweiterten) polizeilichen Führungszeugnisses überprüft. Eignung setzt darüber hinaus auch solche soft skills wie Glaubwürdigkeit, Empathie, Verantwortlichkeit, Engagement, Belastbarkeit und Offenheit im Umgang mit den hilfesuchenden Personen voraus (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 28 Rz. 42).
Rz. 14
Der Hinweis auf die geforderte Vertrautheit mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen ist vor dem Bestreben zu verstehen, eine größtmögliche Angebotsbreite zu erzielen, um effektive Hilfestellungen für unterschiedlichste Bedürfnisse anbieten zu können, aber auch, um möglichst breite Gesellschaftskreise erreichen zu können. Es folgt hieraus jedoch keine Verengung der Arbeit der Erziehungsstellen. Es müssen also nicht in jedem Einzelfall unterschiedliche methodische Ansätze angewendet werden. Die gebotene Vertrautheit soll nur eine differenzierte, vielschichtige Sichtweise bei Exploration der Problemlage und bei Suche nach einer geeigneten Hilfe sicherstellen. Die Beratungs- oder Therapieleistung kann oder muss im Einzelfall auch nur einen methodischen Ansatz verfolgen.