Rz. 3
Satz 1 ordnet als weitere Hilfeart dem möglichen Leistungskatalog nach § 27 Abs. 2 Satz 1 die soziale Gruppenarbeit zu und ordnet an, dass die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen soll.
2.1.1 Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 4
Die Grundvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 müssen erfüllt sein; insbesondere darf daher die Erziehung nicht gewährleistet sein. Wie bei allen anderen Hilfearten auch ist Kernvoraussetzung die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme i. S. der in § 27 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen mit Doppelfunktion. Die Geeignetheit ist daher nicht nur allgemein, sondern im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zu überprüfen (BVerwG, Entscheidung v. 9.12.2014, 5 C 32/13 Rz. 19; Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 54). Wie bei allen anderen Hilfearten auch besitzt der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung darüber, welche Hilfeart im Einzelfall geeignet und notwendig ist, einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist (vgl. hierzu näher die Komm. zu § 27 im Abschnitt Hilfearten nach Abs. 2 – Beurteilungsspielraum). Die Soll-Formulierung in der Vorschrift bezeichnet die Aufgabenstellung der Sozialen Gruppenarbeit, nicht aber den Rechtscharakter der Leistung (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 08/2015, Werkstand: 2023, § 29 SGB VIII, Rz. 4). Liegen die Voraussetzungen der Grundnorm des § 27 vor, besteht ein Rechtsanspruch auf die soziale Gruppenarbeit, wenn diese geeignet und notwendig ist, um die erzieherischen Defizite zu beseitigen (zutreffend Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 29 Rz. 18). Weiterhin ist auch ein Antrag – jedenfalls aber eine entsprechend bekundete Willenserklärung – erforderlich (vgl. hierzu Komm. zu § 27 im Abschnitt Antragserfordernis).
2.1.2 Anspruchsinhaber – Leistungsberechtigte
Rz. 5
Anspruchsinhaber einer Hilfe nach dieser Vorschrift ist, wie aus § 27 Abs. 1 folgt, der Personensorgeberechtigte (so zutreffend auch Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 29 Rz. 14), nicht das Kind oder der Jugendliche. Personensorgeberechtigte ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante BGB die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes (vgl. Komm. zu § 27 im Abschnitt Personensorgeberechtigte). Leistungsberechtigt sind daneben nach § 41 Abs. 1 auch junge Volljährige (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 29 Rz. 15), da § 41 Abs. 2 ausdrücklich auch auf § 29 Bezug nimmt.
2.1.3 Hilfeempfänger
Rz. 6
Hilfeempfänger sind ältere Kinder und Jugendliche. Mit Ausnahme von § 35, der sich ausdrücklich nur auf Jugendliche bezieht, besitzt § 29 hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Hilfeempfänger eine Sonderstellung, da hier ausdrücklich nur ältere Kinder angesprochen sind, während im Übrigen der Gesetzgeber bei den sonstigen in §§ 28 ff. geregelten Hilfearten keine solche Alterseinschränkung vornimmt und die Hilfeempfänger bei den übrigen Hilfearten auch auf Kinder allgemein erstreckt ist. Die Hilfe ist im Gegensatz zu anderen Hilfen der Erziehung deutlich individueller ausgestaltet und in erster Linie daher auf den gefährdeten Jugendlichen konzentriert. Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht die Hilfe die Eltern und das sonstige engere soziale Umfeld nicht mit ein, was im Einzelfall jedoch nicht ausschließt, bei der Hilfeplanung auch familieninterne Zusammenhänge zu berücksichtigen, zumal verschiedene Hilfen zur Erziehung auch nebeneinander stehen und miteinander verzahnt werden können (vgl. die Komm. zu § 27).
Rz. 7
Der Begriff "Jugendlicher" ist in § 7 Abs. 1 Nr. 2 definiert. Die Altersspanne reicht vom 14. bis zum 18. Lebensjahr. Daneben soll die Hilfe auch älteren Kindern zukommen. Hier ist eine Mindestaltersgrenze gerade nicht formuliert worden; in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ist lediglich der Begriff "Kind" definiert; danach ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Eine (Alters-)Eingrenzung bei § 29 ist dabei immer eine Frage des Einzelfalls und ergibt sich aus der Art der Hilfe. Die Förderung von Defiziten durch Einbindung eines Kindes in ein gruppenpädagogisches Konzept setzt voraus, dass das betroffene Kind über einen ausreichenden Entwicklungsstand verfügt, um von einer Gruppenarbeit zu profitieren. Dies wird im Einzelfall auch von der konkreten Ausgestaltung der sozialen Gruppenarbeit abhängen. Im Regelfall dürfte man 12- bis 14-jährige Kinder mit sozialer Gruppenarbeit erreichen können, im Einzelfall durchaus auch bereits 10- oder 11-jährige Kinder (in der Literatur wird von sog. "Lückekindern" gesprochen, vgl. zum Begriff bei Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 08/2015, Werkstand: 2023, § 29 SGB VIII, Rz. 5, der im Einzelfall auch ein Alter von 9 Jahren noch ausreich...