Rz. 3
Nach § 30 sollen Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -einrichtungen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung unterstützen. Die Erziehungsbeistandschaft ist eine ambulante Einzelhilfe (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl 2022, § 30 Rz. 15).
2.1 Anspruchsinhaber – Leistungsberechtigte
Rz. 4
Anspruchsinhaber der Hilfe ist der Personensorgeberechtigte. Personensorgeberechtigte ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante BGB die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes (vgl. Komm. zu § 27 im Abschnitt Personensorgeberechtigte). Junge Volljährige sind nach § 41 Abs. 1 i. V. m. § 41 Abs. 2 selbst leistungsberechtigt (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 30 Rz. 14); § 41 Abs. 2 nennt ausdrücklich auch § 30.
2.2 Hilfeempfänger
Rz. 5
Hilfeempfänger sind Kinder und Jugendliche. Gemäß den Begriffsdefinitionen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 bestehen keine Altersgrenzen; Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 1) und Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 2). Allerdings wird der Einsatz eines Erziehungsbeistandes bei zu jungen Kindern wenig sinnvoll sein, denn ein Greifen der Hilfe wird einen gewissen Entwicklungsstand des Kindes voraussetzen. Auf der anderen Seite wird ein Erziehungsbeistand bei nahezu volljährigen Jugendlichen nur ausnahmsweise die richtige Hilfsform sein können, da sie üblicherweise auf eine längerfristige Laufzeit angelegt ist. Grundsätzlich aber kommt gemäß § 41 Abs. 2 eine Hilfe nach § 30 auch für junge Volljährige in Betracht Junger Volljähriger ist, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 3). Anspruchsinhaber ist dann der junge Volljährige selbst (vgl. auch VG Ansbach, Urteil v. 8.5.2003, An 9 K 03.98; Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 30 Rz. 14). Entscheidend wird bei jungen Volljährigen der Entwicklungsstand sein. Im Rahmen der Prüfung der Geeignetheit wird hier zu untersuchen sein, ob eine Erziehungsbeistandschaft als Hilfe in Betracht kommt.
2.3 Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 6
Nach § 30 sollen Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -einrichtungen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung unterstützen. Die Erziehungsbeistandschaft ist eine ambulante Einzelhilfe (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 30 Rz. 15; zum Anspruch auf Erziehungsbeistand (hier verneint), vgl. auch: VG Freiburg, Urteil v. 10.10.2022, 4 K 1608/21 Rz. 27). Die Grundvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 müssen erfüllt sein; insbesondere darf daher die Erziehung nicht gewährleistet sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Hilfeempfänger zu Hause aufgrund der Instabilität und geringen Belastbarkeit der Eltern nur begrenzt unterstützt werden kann und es an Sicherheit, Verlässlichkeit und Orientierung fehlt. Wie bei allen anderen Hilfearten auch ist Kernvoraussetzung die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme i. S. der in § 27 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen mit Doppelfunktion. Die Geeignetheit ist daher nicht nur allgemein, sondern im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zu überprüfen (BVerwG v. 9.12.2014, 5 C 32/13 Rz. 19; Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 55). So kann die professionelle, ambulante Begleitung und Unterstützung in Form einer Erziehungsbeistandschaft geeignet und auch notwendig sein, um einen Rückfall des Hilfeempfängers in depressive und suizidale Verhaltensmuster zu verhindern und den Leistungsberechtigten dabei zu unterstützen, auftretende Krisen konstruktiv zu bewältigen (vgl. bei Bay. LSG, Beschluss v. 4.5. 2020, L 18 SO 17/19 NZB Rz. 6); auch kann die Unterstützung bei Erlangung eines (Haupt-)Schulabschlusses angezeigt sein. Wie bei allen anderen Hilfearten auch besitzt der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung darüber, welche Hilfeart im Einzelfall geeignet und notwendig ist, einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist (vgl. hierzu näher die Komm. zu § 27 im Abschnitt Hilfearten nach Abs. 2 – Beurteilungsspielraum). Die Soll-Formulierung in der Vorschrift bezeichnet die Aufgabenstellung des Erziehungsbeistandes/Betreuungshelfers, nicht aber den Rechtscharakter der Leistung. Sofern der Einsatz der Hilfe nach § 30 geeignet und notwendig ist, hat der Personensorgeberechtigte einen Rechtsanspruch konkret auf diese Hilfea...