Rz. 8
Aus dem individuellen Ansatz der konkreten Hilfeart Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer können auch Anhaltspunkte bei der Abgrenzung zu anderen Hilfeformen abgeleitet werden. Bei gravierenden Verhaltensauffälligkeiten eines Jugendlichen wird statt der Hilfe nach § 30 eher eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung nach § 35 in Betracht kommen. Ist es erforderlich, dass sich die Hilfe nicht überwiegend auf das Kind oder den Jugendlichen konzentriert, sondern ist es geboten, die ganze Familie einzubeziehen, ist der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe (§ 31) oder eine Erziehungsberatung (§ 28) die geeignetere Maßnahme. Insoweit grenzt sich Tätigkeit als Erziehungsbeistand klar von der sozialpädagogischen Familienhilfe nach § 31 ab, die den Fokus auf die Eltern und damit auch auf die Gesamtfamilie legt. Die beiden Hilfen können daher über das Merkmal der Geeignetheit insoweit gut voneinander abgegrenzt werden. In Betracht kommt auch eine Kombination der Erziehungsbeistandschaft mit anderen Hilfen zur Erziehung (vgl. hierzu die Komm. zu § 27).
Rz. 9
Die Leistungen in Form des Erziehungsbeistands sind auch abzugrenzen von den sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfeleistungen i. S. der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem SGB XII. Diese Abgrenzung ist maßgeblich vor dem Hintergrund eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs des Jugendhilfeträgers gegen den SGB XII-Leistungsträger, da der SGB XII-Leistungsträger nach § 10 Abs. 4 Satz 2 vorrangig Verpflichteter ist.
Rz. 10
Ist die als Jugendhilfe erbrachte Betreuung in der Familie auch als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII möglich, regelt § 10 Abs. 4 Satz 2, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem SGB VIII vorgehen. Für den Vorrang der Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII genügt dabei bereits jede Überschneidung der Leistungsbereiche (BSG, Urteil v. 25.9.2014, B 8 SO 7/13 R Rz. 26, dem folgend Bay. LSG, Beschluss v. 4.5.2020, L 18 SO 17/19 NZB Rz. 36). Der Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII nach § 10 Abs. 4 Satz 2 gegenüber den Leistungen der Jugendhilfe greift daher nur dort, soweit ein Leistungsberechtigter mit Mehrfachbehinderung sowohl einen Anspruch auf Jugendhilfe nach dem SGB VIII als auch einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII besitzt und beide Leistungen gleich, gleichartig und einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (vgl. auch BSG, Urteil v. 24.3.2009, B 8 SO 29/07 R Rz. 17; Bay. LSG, Beschluss v. 4.5.2020, L 18 SO 17/19 NZB Rz. 37). Dabei ist es der Erziehungsbeistandschaft nach § 30 jedoch immanent, dass sie ein Beratungs- und Unterstützungsangebot für Jugendliche darstellt, das auf Verhaltensänderungen beim Jugendlichen einschließlich des Sozial- und Leistungsverhaltens in der Schule und die (Wieder-)Herstellung tragfähiger Familienbeziehungen abzielt, indem diesem eine kontinuierliche Begleitperson zur Seite gestellt wird. Die Erziehungsbeistandschaft dient auch dazu, eine Fremdunterbringung zu vermeiden. Die bloße Verknüpfung einer Maßnahme – hier der Erziehungsbeistandschaft – mit einer zwangsläufig damit einhergehenden Annexleistung – hier der eventuellen Integration in die Gesellschaft – reicht aber nicht für eine Leistungsidentität aus (SG Würzburg, Urteil v. 12.12.2018, S 15 SO 104/16, nicht veröffentlicht; vgl. insoweit auch Bay. LSG, Beschluss v. 4.5.2020, L 18 SO 17/19 NZB Rz. 7, das die Einschätzung des SG Würzburg im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht infrage gestellt hat).
Rz. 11
Die vom Jugendhilfeträger als geeignet und notwendig festgestellten und auch erbrachten Leistungen für einen an Diabetes mellitus erkrankten und zudem unter seelischen Beeinträchtigungen leidenden Jugendlichen in Form eines Erziehungsbeistandes nach § 30, Inobhutnahmen nach § 42 sowie Heimerziehung bzw. sonstige betreute Wohnform nach § 34 stellen daher keine Leistungen dar, die nach dem SGB XII als Leistungen der Eingliederungshilfe für körperlich behinderte Menschen hätten erbracht werden können (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 7.11.2019, L 7 SO 1832/18; mit Anm. JAmt 2020 S. 408).