1 Rechtsentwicklung und Allgemeines
Rz. 1
§ 30 ist derzeit i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022) seit 1.1.2012 in Kraft. Eingefügt wurde § 30 SGB VIII durch das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163). Im Jugendwohlfahrtsgesetz war Erziehungsbeistandschaft in § 55 ff. JWG als einzige ambulante erzieherische Hilfe normiert. Sie hat sich aus dem noch älteren Gedanken der Schutzaufsicht und von einer vorwiegend ehrenamtlich angelegten Hilfe zu einer anerkannten ambulanten Hilfe auf der Grundlage fundierter pädagogischer Konzepte entwickelt. Daher wurde die Erziehungsbeistandschaft auch als typische ambulante Hilfe zur Erziehung übernommen. Die Zugangsvoraussetzungen wurden erleichtert, indem der Gesetzgeber bewusst keine besonderen Verfahrenvorschriften über die Bestellung des Erziehungsbeistandes mehr aufstellt. Denn diese hatten sich als zu starr erwiesen. Die aus der Schutzaufsicht entwickelte ehrenamtlich angelegte Erziehungsbeistandschaft hatte sich zunehmend zu einer pädagogisch fundierten ambulanten Erziehungshilfe weiterentwickelt, die von Fachkräften freier oder öffentlicher Träger geleistet wurde. Vor allem im Hinblick auf die Novellierung des Jugendgerichtsgesetzes und das dort verfolgte Anliegen, den Erziehungsgedanken zu stärken, wurde die Betreuungsweisung als Hilfeart zusammen mit der Erziehungsbeistandschaft geregelt (so insgesamt die gesetzgeberischen Erwägungen vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 70). Der Einsatz eines Betreuungshelfers wurde mit der Erziehungsbeistandschaft daher in einer Vorschrift zusammengeführt. Die Vorschrift ist eine gemeinschaftliche Rechtsgrundlage sowohl für die Erziehungsbeistandschaft als auch für die Betreuung im Rahmen einer jugendrichterlichen Weisung. Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst der Praxis überlassen werden, ob die beiden Hilfsarten in einem einheitlichen Rechtsinstitut aufgehen. Es erfolgten dann diverse Neubekanntmachungen, die die Vorschrift aber unverändert ließen, so durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 3.5.1993 ab 1.4.1993 (BGBl. I S. 637), durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 15.3.1996 ab 1.1.1996 (BGBl. I S. 477), durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 8.12.1998 ab 1.7.1998 (BGBl. I S. 3546), durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 14.12.2006 ab 1.1.2007 (BGBl. I S. 3134) und eben zuletzt durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 11.9.2012 ab 1.1.2012 (BGBl. I S. 2022).
Rz. 2
Weitergehende zusammenfassende Hinweise zu den einzelnen Hilfearten finden sich unter www.betanet.de (zuletzt abgerufen am 31.3.2023), dem größten Portal für psychosoziale und sozialrechtliche Informationen im Gesundheitswesen. Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF), die regelmäßig in der Fachzeitschrift "Das Jugendamt (JAmt)" veröffentlicht werden, sind im Volltext auf der Webseite des DIJuF unter der Rubrik Publikationen, JAmt – Fachzeitschrift abrufbar (https://dijuf.de/veroeffentlichungen/jamt-fachzeitschrift, zuletzt abgerufen am 31.3.2023).
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Nach § 30 sollen Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -einrichtungen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung unterstützen. Die Erziehungsbeistandschaft ist eine ambulante Einzelhilfe (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl 2022, § 30 Rz. 15).
2.1 Anspruchsinhaber – Leistungsberechtigte
Rz. 4
Anspruchsinhaber der Hilfe ist der Personensorgeberechtigte. Personensorgeberechtigte ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante BGB die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes (vgl. Komm. zu § 27 im Abschnitt Personensorgeberechtigte). Junge Volljährige sind nach § 41 Abs. 1 i. V. m. § 41 Abs. 2 selbst leistungsberechtigt (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 30 Rz. 14); § 41 Abs. 2 nennt ausdrücklich auch § 30.
2.2 Hilfeempfänger
Rz. 5
Hilfeempfänger sind Kinder und Jugendliche. Gemäß den Begriffsdefinitionen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 bestehen keine Altersgrenzen; Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 1) und Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 2). Allerdings wird der Einsatz eines Erziehungsbeistandes bei zu jungen Kindern wenig sinnvoll sein, denn ein Greifen der Hilfe wird einen gewissen Entwicklungsstand des Kindes voraussetzen. Auf der anderen Seite wird ein Erziehungsbeistand bei nahezu volljährigen Jugendlichen nur ausnahmsweise die richtige Hilfsform sein können, da sie üblicherweise auf eine l...