Rz. 20

Die Erziehung in der Tagesgruppe soll durch konzentrierte, intensive pädagogische Maßnahmen über einen längeren Zeitraum, nämlich einen großen Teil des Tages, versuchen, die bestehenden Defizite aufzufangen und abzubauen. Hier hebt die Vorschrift das soziale Lernen in der Gruppe hervor, ferner die Begleitung der schulischen Förderung und die Elternarbeit. Die schulische Förderung wurde bewusst in die Vorschrift integriert, denn schulische Defizite sind häufige Begleiterscheinungen, Folgen oder sogar auch Ursachen einer Entwicklungsgefährdung eines Kindes oder Jugendlichen. Die Hilfe kann daher auch ganz praktisch ausgerichtet in Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe bestehen. Man wird die Begleitung der schulischen Förderung als eine Kernaufgabe der Tagesgruppe ansehen müssen. Hausaufgabenbetreuung ist demnach auch ein wichtiger Bestandteil. Die Hilfe kann jedoch hierauf nicht reduziert werden. Es darf nicht übersehen werden, dass die Vorschrift als Hilfe zur Erziehung die Gefährdung einer kindeswohlentsprechenden Erziehung voraussetzt, die Hilfe ferner geeignet und notwendig sein muss (vgl. zu den grundsätzlichen Voraussetzungen der Hilfe zur Erziehung die Komm. zu § 27; vgl. zu der Geeignetheit der Hilfeart bei reiner Hausaufgabenbetreuung auch Rz. 8 ff. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen).

 

Rz. 21

Die Entwicklungsgefährdungen sollen durch soziales Lernen in der Gruppe bearbeitet werden, wodurch die Vorschrift eine pädagogische Methodik vorgibt. Insbesondere soll die soziale Handlungskompetenz verbessert werden, indem etwa die Konfliktfähigkeit eines Kindes verbessert, die Frustrationstoleranz erhöht, ein Aggressionspotenzial verringert wird usw. Zielsetzung ist, den Kindern und Jugendlichen alternative Handlungsweisen anzubieten. Die Methodik entspricht hierbei auch der Hilfe gemäß § 29, der sozialen Gruppenarbeit (vgl. auch die Komm. zu § 29), wobei im Rahmen des § 32 gruppenpädagogische Konzepte mit stärkerer Intensität eingesetzt werden als bei der Gruppenarbeit. Daneben aber darf die einzelfallbezogene Arbeit mit dem Kind oder Jugendlichen nicht vernachlässigt werden. Vielmehr werden gruppenpädagogische Prozesse und Einzelfallarbeit aufeinander abzustimmen sein (so auch Wiesner, SGB VIII, § 32 Rz. 10).

 

Rz. 22

Daneben soll die Hilfe auch die Eltern einbeziehen. Die Elternarbeit wird durch die Vorschrift ausdrücklich gefordert. Die Zusammenarbeit mit den Eltern wird auch in § 37 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich betont, der anordnet, dass bei Hilfen nach §§ 32 bis 34 und § 35a Abs. 2 Nr. 3 und 4 darauf hingewirkt werden soll, dass die Pflegeperson oder die in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Personen und die Eltern zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zusammenarbeiten (Gebot der Zusammenarbeit). Die Hilfe konzentriert sich aber auf die Kinder und Jugendlichen, diese sind die primären Hilfsempfänger (vgl. auch Rz. 5). Daher erfolgt eine deutlich geringere Arbeit mit familiären Strukturen als etwa im Rahmen einer Sozialpädagogischen Familienhilfe (§ 31). Auf der anderen Seite wird eine Zielerreichung meistens nicht möglich sein, wenn nicht die Eltern in die Hilfe mit einbezogen werden. Erziehungsschwierigkeiten werden nicht selten einen familiären Ursprung oder Hintergrund haben, sodass eine gezielte Förderung der Kinder während des Tages nur dann greifen wird, wenn auch mit den Eltern gearbeitet wird, welche die Kinder und Jugendlichen am Abend und an den Wochenenden betreuen. Denn es ist wichtig, dass erzieherische Fortschritte, welche die Kinder in der Tagesgruppe erzielen, im elterlichen Haushalt aufgegriffen werden. Auch die Zielsetzung, eine Fremdunterbringung möglichst zu vermeiden, führt zu dem Erfordernis, die Eltern in die Hilfe einzubinden. Dies kann und muss, je nach den Erfordernissen des Einzelfalles, in unterschiedlicher Form geschehen, wobei die Bandbreite von informatorischer Einbeziehung der Eltern bis hin zu familientherapeutischen Maßnahmen reichen kann. Eine Verweigerung der Mitarbeit der Eltern kann zu einer Ungeeignetheit der Hilfe führen (so Fischer, in: Schellhorn u. a., SGB VIII, § 32 Rz. 5).

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