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Zur Vermeidung von Nachteilen für das Kind aufgrund eines Auseinanderfallens von rechtlicher und sozialer Zugehörigkeit (dies hatte der Gesetzgeber bereits betont, vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 71) wird das Jugendamt in enger Begleitung des Pflegeverhältnisses zu versuchen haben, Unsicherheiten bestmöglich aufzufangen und mit den Beteiligten Handlungsvorgaben zu erarbeiten. Eine sorgfältige Hilfeplanung, § 36, ist dabei unerlässlich. Die Entscheidung, ein Kind in einer Pflegefamilie unterzubringen, ist deshalb stärker zeit- und zielgerichtet auszugestalten (so die gesetzgeberische Erwägung, BT-Drs. 11/5948 S. 71). Hilfeplanung darf das Pflegeverhältnis aber nicht nur begleiten. Insbesondere schon bei Beginn der Vollzeitpflege sollen zusammen mit allen Beteiligten möglichst genaue und ungeschönte Handlungsvorgaben erarbeitet werden, damit eine Grundlage und Orientierung für den weiteren Verlauf der Hilfe gegeben ist. Insbesondere mit den Eltern ist bereits vor der Inpflegegabe zu bestimmen, mit welchem Ziel die Hilfe verbunden sein soll. Die Eltern sollen auch über die kinderpsychologischen und rechtlichen Auswirkungen der Hilfe informiert werden. Hierüber ist ein Hilfeplan zu erstellen. Im Hilfeplan ist auch die zentrale Begleitung der Vollzeitpflege, nämlich die Elternarbeit, zu formulieren. Elternarbeit wird damit zum konstitutiven Bestandteil dieser Hilfeart, weil die Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie die unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass das Kind wieder in die Herkunftsfamilie zurückkehren kann, die Familie aus eigener Kraft damit aber meist überfordert ist (so die gesetzgeberische Erwägung, BT-Drs. 11/5948 S. 71). Denn Vollzeitpflege soll nicht nur der Förderung der fremdplatzierten Kinder dienen, sondern auch der gleichzeitigen Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie. Es soll darauf hingearbeitet werden, dass Defizite, welche zu einer Herausnahme geführt haben, beseitigt werden. Klarzustellen ist, dass eine Rückkehroption des Kindes, welche zunächst offenzuhalten ist, voraussetzt, dass sich die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie verbessern, denn Mindestvoraussetzung für eine Rückkehr ist die (Wieder-)Herstellung der Erziehungsgeeignetheit der Kindeseltern (für erhöhte Voraussetzungen insoweit BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 22.8.2000, 1 BvR 2006/98). Die Rückkehroption und damit der Vorrang der Herkunftsfamilie ergibt sich ausdrücklich aus § 37 Abs. 1 Satz 2 und fließt aus dem grundrechtlich verankerten Elternrecht nach Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt Rückkehroption – Vorrang der Herkunftsfamilie nach Satz 2). Allerdings muss das Jugendamt dann, wenn dies innerhalb eines am Alter des Kindes orientierten Zeitrahmens nicht gelingt, versuchen, eine Dauerpflege sicherzustellen (vgl. auch Regierungsbegründung, BT-Drs. 11/5948 S. 71). Die Verpflichtung zur Erarbeitung der Lebensperspektive in der Pflegefamilie ergibt sich ausdrücklich aus § 37 Abs. 1 Satz 4 und ist anzustreben, wenn eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb des in § 37 Abs. 1 Satz 2 genannten "vertretbaren Zeitraums" nicht erreichbar ist (vgl. Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt Erarbeitung der Lebensperspektive in der Pflegefamilie nach Satz 4). Wenn daher qualifizierte Bemühungen der Elternarbeit innerhalb eines vertretbaren Zeitraums i. S. d. § 37 Abs. 1 Satz 2 offensichtlich erfolglos sind, ist im Interesse des Kindes und zur Sicherung seines Anspruchs auf Klarheit und Sicherheit der Beziehungen eine neue stabile Lebensperspektive für das Kind zu erarbeiten. Diese differenzierende Aufgabenstellung ist insgesamt durch § 37 Abs. 1 vorgegeben, der in Satz 1 auch das Gebot zur Zusammenarbeit aufstellt (der Gesetzgeber hat dabei erkannt, dass diese lebenswichtige Entscheidung für das Kind – Rückkehr oder Bleibeperspektive – jedoch nicht autonom vom einzelnen Sozialarbeiter, auch nicht vom Team des Jugendamts, getroffen werden kann, sondern nur im Zusammenwirken mit den Personensorgeberechtigten und den Pflegepersonen; BT-Drs. 11/5948 S. 71). Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 soll bei Hilfen nach §§ 32 bis 34 und § 35a Abs. 2 Nr. 3 und 4 darauf hingewirkt werden, dass die Pflegeperson oder die in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Personen und die Eltern zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zusammenarbeiten. Ist nach § 37 Abs. 1 Satz 4 jedoch eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so soll mit den beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden (vgl. hierzu insgesamt die Komm. zu § 37).