0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 33 ist derzeit i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022) seit 1.1.2012 in Kraft. Die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege als eine Leistung der öffentlichen Jugendhilfe war im JWG nicht gesondert ausgestaltet (hierauf verweist zutreffend auch Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 01/2019, Werkstand 2023, § 33 SGB VIII Rz. 4). Eingefügt wurde § 33 SGB VIII durch das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG) v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163). Es erfolgten dann diverse Neubekanntmachungen, die die Vorschrift aber unverändert ließen, so durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 3.5.1993 ab 1.4.1993 (BGBl. I S. 637), durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 15.3.1996 ab 1.1.1996 (BGBl. I S. 477), durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 8.12.1998 ab 1.7.1998 (BGBl. I S. 3546), durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 14.12.2006 ab 1.1.2007 (BGBl. I S. 3134) und eben zuletzt durch die Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 11.9.2012 ab 1.1.2012 (BGBl. I S. 2022).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen gehört neben der Heimerziehung (§ 34) zu den klassischen Hilfetypen der Jugendhilfe. In Vollzeitpflege werden Kinder und Jugendliche untergebracht, deren Hilfebedarf nicht mehr durch familienunterstützende Maßnahmen gedeckt werden kann, etwa den Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe oder andere ambulante Hilfen. Vollzeitpflege ist wie § 34 eine stationäre Hilfe. Oft waren Kinder, die in Vollzeitpflege untergebracht werden, in ihrer Herkunftsfamilie vor ihrer Herausnahme schädigenden Einflüssen ausgesetzt. Das Spektrum ist hier naturgemäß breit und reicht von Vernachlässigungen über Verwahrlosungen bis hin zu Misshandlungen und Missbrauch. Pflegeeltern stehen daher häufig vor erheblichen Herausforderungen, die z. B. traumatisierte Kinder mit sich bringen. Daneben ist der Anlass einer Fremdunterbringung häufig natürlich auch unverschuldet, etwa wenn eine Fremdunterbringung durch Schicksalsschläge wie Todesfälle, Erkrankungen von Eltern usw. nötig wird. Die Gründe einer Inpflegegabe sind vielfältig. Komplex sind regelmäßig die Anforderungen, welche die Inpflegegabe und die durch wechselseitige Bindungen entstehenden Dynamiken allen Beteiligten abverlangt: Den leiblichen Eltern, den Pflegeeltern und natürlich auch dem betroffenen Kind oder Jugendlichen.
Rz. 3
Weitergehende zusammenfassende Hinweise zu den einzelnen Hilfearten finden sich unter www.betanet.de (zuletzt abgerufen am 31.3.2023), dem größten Portal für psychosoziale und sozialrechtliche Informationen im Gesundheitswesen. Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF), die regelmäßig in der Fachzeitschrift "Das Jugendamt (JAmt)" veröffentlicht werden, sind im Volltext auf der Webseite des DIJuF unter der Rubrik Publikationen, JAmt – Fachzeitschrift abrufbar (https://dijuf.de/veroeffentlichungen/jamt-fachzeitschrift, zuletzt abgerufen am 31.3.2023).
2 Rechtspraxis
2.1 Erziehung in Vollzeitpflege nach Satz 1
2.1.1 Zweck der Vollzeitpflege
Rz. 4
Zweck der Vollzeitpflege ist die Kompensation des Entwicklungsdefizits des Kindes oder des Jugendlichen in der eigenen Familie durch die Unterbringung außerhalb der Herkunftsfamilie. Die Vollzeitpflege ersetzt damit die Erziehung der leiblichen Eltern für einen bestimmten Zeitraum und bietet dem Kind Betreuung, Erziehung und Förderung. Darin erschöpft sich auch regelmäßig der Zweck; die Hilfe erfolgt allein im Interesse des Hilfebedürftigen und entfaltet gegenüber dem tatsächlichen Leistungserbringer keinen Drittschutz; hier ausdrücklich für die Gewährung der Vollzeitpflege Bay. VGH, Beschluss v. 24.10.2022, 12 CE 22.1860.
2.1.2 Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 5
Die Grundvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 müssen erfüllt sein; insbesondere darf daher die Erziehung nicht gewährleistet sein. Wie bei allen anderen Hilfearten auch ist Kernvoraussetzung die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme i. S. der in § 27 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen mit Doppelfunktion (zu den Voraussetzungen insoweit vgl. auch bei Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 33 Rz. 22). Die Geeignetheit ist daher nicht nur allgemein, sondern im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zu überprüfen. Wie bei allen Hilfearten besitzt der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung darüber, welche Hilfeart im Einzelfall geeignet und notwendig ist, einen Beurteilungsspielraum (zur Verengung und Anspruchsbegründung auf die konkrete Maßnahme vgl. Rz. 8a), der nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist (vgl. hierzu näher die Komm. zu § 27 unter dem Abschnitt Hilfearten nach Abs. 2 – Beurteilungsspielraum). Die Soll-Formulierung in der Vorschrift ist auf die Aufgabenstellung der Hilfe bezogen, sie kennzeichnet jedoch die Hilfe nicht als Soll-Leistung; es besteht vielmehr ein Rechtsanspruch (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 01/2019, Werkstand 2023, § 33 SGB VIII Rz. 5). Weiterhin ist auch ein Antrag – jedenfalls aber eine entsprechend b...