2.1 Hilfe zur Erziehung nach Satz 1
2.1.1 Leistungsberechtigte
Rz. 5
Anspruchsinhaber der Hilfe ist der Personensorgeberechtigte. Personensorgeberechtigte ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Die Pflicht und das Recht der elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante BGB die Personensorge und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Kindes (vgl. die Komm. zu § 27 unter dem Abschnitt Personensorgeberechtigte). Die Hilfegewährung ist nur rechtmäßig, wenn dieser der Hilfsmaßnahme zustimmt bzw. einen entsprechenden Antrag auf die Hilfe stellt (zum Antragserfordernis ganz generell vgl. die Komm. zu § 27 unter dem Abschnitt Antragserfordernis). Ist dies, wie häufig bei Fremdunterbringung, nicht der Fall, wird das Jugendamt zur Absicherung der Hilfe familienrechtliche Maßnahmen einleiten müssen. Neben der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für das Kind oder den Jugendlichen wird mindestens auch der Entzug des Rechtes, Hilfe zur Erziehung zu beantragen, erforderlich sein, damit die Anordnung der Heimerziehung eine rechtmäßige Hilfsmaßnahme ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 21.6.2001, 5 C 6.00). Hier besteht die gleiche Problematik wie bei der Vollzeitpflege (vgl. Komm. zu § 33; vgl. eingehend hierzu auch die Komm. zu § 27 unter dem Abschnitt Familiengerichtliche Eingriffe).
2.1.2 Hilfeempfänger
Rz. 6
Hilfeberechtigte sind nach dem Wortlaut der Vorschrift Kinder und Jugendliche. Daher ist zunächst gemäß den Definitionen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 eine Altersbeschränkung nicht vorgesehen. Gemäß der Begriffsdefinition des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 1) und Jugendlicher, wer 14 Jahre aber noch nicht 18 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 2). Eine Altersgrenze ergibt sich aus § 34 grundsätzlich nicht, da der Gesetzgeber nicht, wie beispielsweise bei § 29, die Hilfeempfänger auf ältere Kinder beschränkt hat. Dennoch wird man jedenfalls jüngere Kinder wegen des besseren Bindungsangebotes vorrangig in Vollzeitpflege statt in Heimerziehung vermitteln, denn trotz deutlich verbesserter Erziehungsbedingungen kann die Gefahr von Hospitalismus oder Deprivationssymptomen nicht ausgeschlossen werden (vgl. hierzu auch die Komm. zu § 33 unter dem Abschnitt Hilfeempfänger).
Rz. 7
In die Hilfe ist daneben auch die Herkunftsfamilie miteinzubeziehen, da die zu prüfende Möglichkeit der Rückkehr in die Familie notwendig die Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie einfordert, hier also Wechselwirkungen bestehen; die Rückkehroption sieht § 34 Satz 2 Nr. 1 ausdrücklich vor (vgl. hierzu insgesamt Rz. 15 ff.). Die Notwendigkeit der Einbindung der Herkunftsfamilie und die primäre Rückkehroption von Kindern und Jugendliche in ihre Herkunftsfamilie folgt auch aus § 37 Abs. 1 Satz 2. Die Rückkehroption ergibt sich ausdrücklich aus § 37 Abs. 1 Satz 2 und fließt aus dem grundrechtlich verankerten Elternrecht nach Art. 6 GG (vgl. die Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt Rückkehroption – Vorrang der Herkunftsfamilie nach Satz 2). Herkunftsfamilie meint dabei die Kernfamilie, bestehend aus Eltern und Kind (vgl. Komm. zu § 33 unter dem Abschnitt Familienbegriffe – Herkunftsfamilie, Kernfamilie und andere Familie).
2.1.3 Abgrenzung – Heimerziehung und Vollzeitpflege
Rz. 8
Aufgabe des Jugendamtes ist es, bei der Prüfung der Bedarfslage zunächst festzustellen, ob eine Heimerziehung die geeignete und erforderliche Maßnahme ist. Ist eine Fremdunterbringung geboten, ist eine Abgrenzung von der Vollzeitpflege vorzunehmen (vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 12.1.2021, SN_2020_1321 Bn, JAmt 2021 S. 91; zu einem Fall der parallelen Gewährung von Vollzeitpflege nach § 33 und stationärer Unterbringung in einem Internat nach § 34 vgl. auch Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil v. 26.5.2020, 15 A 289/18; mit Anm. in JAmt 2021 S. 172). Dies kann nicht pauschal, sondern nur für den Einzelfall beantwortet werden.
Rz. 9
Die Heimerziehung, d. h. die Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1, ist dabei dadurch gekennzeichnet, dass das Kind auf kürzere oder längere Zeit seinen Lebensmittelpunkt in einer Einrichtung außerhalb der eigenen Familie hat und seine Betreuung und Erziehung in einer Gruppe untereinander nicht verwandter Kinder durch Personen erfolgt, die mit ihnen nicht verwandt sind und die ihre Aufgabe als Beruf ausüben; demgegenüber wird die Vollzeitpflege nach § 33 "in einer anderen Familie" geleistet. Dem entsprechend definiert § 44 Abs. 1 Satz 1 die die Vollzeitpflege erbringende Person als denjenigen, der ein Kind oder Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will (instruktiv VG Potsdam, Urteil v. 25.8.2020, 7 K 2354/18 Rz. 32). Die beiden Formen der stationären Hilfe überschneiden sich in Grenzbereichen, da die Heimerziehung nach § 34 in zunehmendem Maße familienähnlich ausgestaltet ist, während andererseits Pflegeeltern i. S. v. § 33, vor allem in Anwendung von dessen Satz 2, in höher...