Rz. 11
Nach Satz 1 soll Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Die Grundvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 müssen erfüllt sein; insbesondere darf daher die Erziehung nicht gewährleistet sein (zur erzieherischen Mangelsituation gerade auch im Anwendungsbereich des § 34 vgl. stellv. VG des Saarlandes, Urteil v. 6.4.2018, 3 K 898/17 Rz. 57). Wie bei allen anderen Hilfearten auch ist Kernvoraussetzung die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahme i. S. der in § 27 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen mit Doppelfunktion. Die Geeignetheit ist daher nicht nur allgemein, sondern im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zu überprüfen (vgl. zur Geeignetheit dieser Hilfeform auch bei Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 27 Rz. 42, 46). Wie bei allen anderen Hilfearten auch besitzt der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung darüber, welche Hilfeart im Einzelfall geeignet und notwendig ist, einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist (vgl. hierzu näher die Komm. zu § 27 unter dem Abschnitt Hilfearten nach Abs. 2 – Beurteilungsspielraum). Die Soll-Formulierungen in der Vorschrift beschreiben Ziele und Gestaltung der Hilfe, nicht aber ihren Rechtscharakter; auf die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung hat der Personensorgeberechtigte daher einen Rechtsanspruch (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 07/2022, § 34 SGB VIII, Rz. 20; so auch Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 34 Rz. 42); es besteht daher auch auf diese Leistung grundsätzlich ein Rechtsanspruch. Weiterhin ist auch ein Antrag – jedenfalls aber eine entsprechend bekundete Willenserklärung – erforderlich (vgl. hierzu die Komm. zu § 27 unter dem Abschnitt Antragserfordernis).
Rz. 12
Notwendige Voraussetzung ist, dass die Hilfe in einer Einrichtung oder in einer sonstigen betreuten Wohnform erbracht wird (vgl. insoweit auch die Komm. unter Rz. 8 ff. – Abgrenzung – Heimerziehung und Vollzeitpflege). Der Begriff der Einrichtung ist in § 45a niedergelegt; vgl. insoweit zur Erlaubnispflicht auch § 45. Der Begriff der sonstigen betreuten Wohnform – vgl. insoweit auch § 48a – ist hingegen im Gesetz nicht definiert.
Rz. 13
Die Einrichtung muss orts- und gebäudebezogen sein (vgl. insoweit BT-Drs. 11/5948 S. 83); dementsprechend ist gemäß § 45a eine Einrichtung eine auf gewisse Dauer und unter der Verantwortung eines Trägers angelegte förmliche Verbindung ortsgebundener räumlicher, personeller und sachlicher Mittel mit dem Zweck der ganztägigen oder über einen Teil des Tages erfolgenden Betreuung oder Unterkunftsgewährung sowie Beaufsichtigung, Erziehung, Bildung, Ausbildung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie (vgl. weitergehend insoweit die Komm. zu § 45a). Unter den Begriff der Einrichtung nach § 45 fallen grundsätzlich vollstationäre Einrichtungen (Einrichtungen über Tag und Nacht) und teilstationäre Einrichtungen (z. B. Tageseinrichtungen für Kinder oder Tagesgruppen nach § 32).
Rz. 14
Dabei beschränkt § 34 den Anwendungsbereich ausdrücklich auf die vollstationären Einrichtungen; also solche Einrichtung die eine Erziehung über Tag und Nacht gewährleisten. § 34 Abs. 1 Satz 1 beinhaltet insoweit auch die Legaldefinition des Begriffs der Heimerziehung und definiert die Heimerziehung – als lex spezialis Fall – als Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht und grenzt damit den Anwendungsbereich des § 34 von allen übrigen Formen der Erziehung in einer Einrichtung ab, beinhaltet also eine Abgrenzung zu den teilstationären Einrichtungen z. B. in Form der Tageseinrichtungen für Kinder oder Tagesgruppen nach § 32.
Rz. 15
Der Betrieb einer Einrichtung ist erlaubnispflichtig i. S. d. § 45. Nach den von § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 geforderten fachlichen Voraussetzungen bedarf es für eine pädagogische oder therapeutische Arbeit regelmäßig einer staatlich anerkannten Ausbildung und Prüfung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.8.2020, 12 A 1556/18; vgl. ansonsten weitergehend die Komm. zu § 45).
Rz. 16
Privathaushalte der Erzieher sind daher keine Einrichtungen i. S. d. § 34 (der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist insoweit zuzustimmen, vgl. BFH, Urteil v. 5.11.2014, VIII R 29/11; dem folgend vgl. stellv. FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.11.2020, 3 K 1895/18 Rz. 28). Auch das Wohnen im mütterlichen Haushalt stellt kein betreutes Wohnen i. S. d. § 34 dar (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.6.2020, 12 A 2766/17, Rz. 4). Auch die Unterbringung eines Kindes in einem bestimmten Internat stellt keine Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 dar (VG Mainz, Urteil v. 28.10.2019, 1 K 1198/18.MZ Rz. 43, mit Anm. von Nellissen, jurisPR-SozR 13/2020 Anm. 6). Es steht der Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung dabei nicht entgegen, we...