Rz. 26
Nach Satz 2 HS 1 soll Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie die Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie maßgebliches Kriterium zur Bewertung der Erfolgsaussichten des jeweiligen Ziels sein. Als allgemeines Ziel der Heimerziehung nennt die Vorschrift zunächst die Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Im Einzelnen sind 3 konkrete Zielperspektiven vorgesehen, nämlich der Versuch, eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie zu erreichen (Nr. 1), die Vorbereitung der Erziehung in einer anderen Familie (Nr. 2) oder das Angebot der Heimerziehung als Lebensform, die auf längere Zeit angelegt ist (Nr. 3). In letzterem Fall ist in besonderem Maße darauf zu achten, dass die Heimerziehung auf ein selbständiges Leben vorbereitet. Die Zielplanung wird im Hinblick auf den Einzelfall zu treffen sein, eine verpflichtende Rangfolge enthält die Vorschrift nicht. Die Maßgabe, dass der Hilfebedarf im Einzelfall entscheidend ist, folgt auch aus der Forderung der Vorschrift, die Zielplanung "entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie" vorzunehmen. Die im konkreten Fall angezeigte Perspektive ist im Zusammenwirken der mehrerer Fachkräfte und der Personensorgeberechtigten im Hilfeplanverfahren zu erarbeiten, § 36 Abs. 2. Die in Satz 2 genannten Alternativen verfolgen dabei jeweils unterschiedliche Zielsetzungen, die nicht miteinander verknüpft werden können (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung in BT-Drs. 11/6002 S. 6).
Rz. 27
Die drei in Nr. 1 bis 3 genannten Ziele stehen jedoch nicht gleichrangig nebeneinander, sondern sind – jedenfalls im Verhältnis von Nr. 1 zu Nr. 2 und 3 – i. S. eines Stufenverhältnisses zu interpretieren. Satz 2 ist insoweit im Lichte des § 37 Abs. 1 auszulegen; hierbei finden insbesondere § 37 Abs. 1 Satz 2 und 4 besondere Bedeutung. Die Rückkehroption nach Satz 2 Nr. 1 und damit der Vorrang der Herkunftsfamilie ergibt sich ausdrücklich aus § 37 Abs. 1 Satz 2 und fließt aus dem grundrechtlich verankerten Elternrecht nach Art. 6 GG (vgl. Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt Rückkehroption – Vorrang der Herkunftsfamilie nach Satz 2). Die Verpflichtung zur Erarbeitung der Lebensperspektive nach Satz 2 Nr. 3 in der Pflegefamilie ergibt sich ausdrücklich aus § 37 Abs. 1 Satz 4 und ist anzustreben, wenn eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb in § 37 Abs. 1 Satz 2 genannten vertretbaren Zeitraums nicht erreichbar ist (vgl. Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt: Erarbeitung der Lebensperspektive in der Pflegefamilie nach Satz 4). Das Ziel nach Nr. 1 ist daher stets vorrangig zu verfolgen. Zwischen diesen Zielen nach Nr. 1 und 3 liegt das Ziel der Vorbereitung der Erziehung in einer anderen Familie nach Satz 2 Nr. 2. Insgesamt ist es aber immer eine Einzelfallentscheidung, welches Ziel nach Nr. 1 bis 3 verfolgt wird.