Rz. 13
Durch das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde mit Wirkung zum 10.6.2021 ein neuer Satz 2 eingefügt, der einen Anspruch auf verständliche, nachvollziehbare und wahrnehmbare Beratung und Aufklärung schafft; der Gesetzgeber hat damit das Paradigma der "leichten Sprache" im Jugendhilferecht verankert (vgl. zur verständlichen Sprache auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 7.6.2022, SN_2022_0754 Eh, JAmt 2022, 408; Schrapper, JAmt 2022, 376).
Rz. 14
Die Vorschrift korreliert mit dem ebenfalls durch das KJSG mit Wirkung zum 10.6.2021 neu eingefügten § 8 Abs. 4, der die Anordnung enthält, dass die Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen soll. Die Klarstellung, dass die Beratung und Aufklärung vor der Hilfegrundentscheidung in verständlicher und nachvollziehbarer Form zu erfolgen hat, hat erst Eingang in das Gesetz durch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) gefunden (BT-Drs. 19/28870 S. 20). Die Änderung konkretisiert die Art und Weise der Beratung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und greift damit auch einen Vorschlag des Bundesrates auf (BR-Drs. 5/21 (Beschluss), Nr. 4, S. 3; vgl. insoweit für § 8 Abs. 4: BT-Drs. 19/28870 S. 101); dies ist auch die Begründung für die Änderung von § 36 Abs. 1 Satz 2 gewesen (BT-Drs. 19/28870 S. 104 unter ausdrücklichem Verweis auf S. 101).
Rz. 15
Außerdem findet sich auch eine Regelung mit gleicher Formulierung und Intention in dem neu geschaffenen § 41a – Nachbetreuung, hier in Abs. 1. Dabei ist die Regelung über die Nachbetreuung inhaltlich nicht neu, sondern wurde durch das KJSG v. 3.6.2021 von § 41 Abs. 3 in § 41a Abs. 1 überführt (die konkrete Ausgestaltung erhielt § 41a Abs. 1, aber wie auch § 36 Abs. 1 Satz 2, erst durch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss); BT-Drs. 19/28870 S. 43).
Rz. 16
Die Vorschrift ist als Anspruch i. S. eines echten subjektiven Rechts ausgestaltet, wie sich aus der Formulierung "Es ist sicherzustellen ..." ergibt.
Rz. 17
Ziel von § 8 Abs. 4 und damit auch von § 36 Abs. 2 Satz 2 ist die Sicherstellung einer aktiven Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Entscheidungsprozessen sowie eine adressatenorientierte Beratung (§ 8 Abs. 4; vgl. BR-Drs. 5/21 S. 68 = BT-Drs. 19/26107 S. 74). Zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung können sie nur dann befähigt werden, wenn Beratung und Aufklärung für sie verständlich und nachvollziehbar sind (zu § 36 Abs. 1 Satz 2; vgl. auch: BR-Drs. 5/21 S. 80 = BT-Drs. 19/26107 S. 84). Satz 2 verlangt deshalb konkretisierend, dass Beratung und Aufklärung adressatenorientiert erfolgen müssen.
Rz. 18
Der Gesetzgeber hat die Subjektstellung der Kinder und Jugendlichen als ein zentrales Paradigma des SGB VIII angesehen und der Zielgruppe der Hilfeempfänger damit eine herausragende Stellung dergestalt eingeräumt, dass das zugrundeliegende Verständnis der Kinder- und Jugendhilfe als personenbezogene soziale Dienstleistung herausstreicht (so die ausdrückliche Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 4; vgl. BR-Drs. 5/21 S. 68 = BT-Drs. 19/26107 S. 74). Jugendhilfe erfolgt daher alleine "um zu", um die Kinder und Jugendlichen zu fördern und ist kein Selbstzweck der Verwaltung. Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist dabei ein grundlegendes Gestaltungsprinzip der Kinder- und Jugendhilfe (zu § 36 Abs. 1 Satz 2; vgl. auch: BR-Drs. 5/21 S. 80 = BT-Drs. 19/26107 S. 84).
Rz. 19
Partizipation kann nur sichergestellt werden durch eine verständliche Sprache und eine nachvollziehbare Aufbereitung der Entscheidungsgrundlage. Leichte Sprache ist insoweit auch eine Vorgabe von Art. 21 UN-Behindertenrechtskonvention in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Damit wird auch dem klaren Votum der Arbeitsgruppe "SGB VIII: Mitreden-Mitgestalten" entsprochen (vgl. Abschlussbericht Mitreden-Mitgestalten: Die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe, S. 29). Wegen der individuellen Beeinträchtigung eines jeden Kindes oder Jugendlichen verbietet sich eine allgemeinverbindliche Vorgabe, was leichte Sprache im Einzelfall bedeutet; entscheidend ist vielmehr der jeweilige Einzelfall (zu § 8 Abs. 4; vgl.: BR-Drs. 5/21 S. 68 = BT-Drs. 19/26107 S. 74; zu § 36 Abs. 1 Satz 2: BR-Drs. 5/21 S. 80 = BT-Drs. 19/26107 S. 84). Dabei hat der Gesetzgeber im Bereich der Hilfen zur Erziehung die besondere Bedeutung der Partizipation hervorgehoben. Die Interaktionsintensität personenbezogener Dienstleistungen wird hier besonders deutlich. Da erzieherische Hilfen auf die Veränderung des psychischen Dispositionsgefüges von Menschen gerichtet sind, können sie nur mit deren inneren aktiven Beteiligung wirksam sein (zu § 36 Abs. 1 Satz 2; vgl. auch: BR-Drs. 5/21 S. 80 = BT-Drs. 19/26107 S. 84).
Rz. 20
Weiter bedeutet dies auch, dass unter...