Rz. 8
Der Sinn und Zweck der Vorschrift trägt auch nach dem KJSG dem Gedanken Rechnung, dass bei Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien verstärkte Bindungen zu den neuen Bezugspersonen entstehen und deshalb eine einzelfallorientierte Koordination des Hilfeverlaufs notwendig ist, die die Einbeziehung aller Beteiligten – also der Herkunftsfamilie, der leiblichen Eltern und des Kindes, aber auch der Pflegefamilie, der Heimerzieher und Wohnbetreuer notwendig macht (BGH, Urteil v. 3.7.2014, III ZR 502/13 Rz. 16; der BGH hat mit dem Urteil auch klargestellt, dass § 37 Abs. 1 nicht dem Schutz eines Unterhaltspflichtigen, z. B. dem Kindesvater, dient, um diesen etwa vor Unterhaltszahlung zu bewahren, BGH, a. a. O. Rz. 15; hierzu auch Nellissen, jurisPR-SozR 22/2014 Anm. 5; zur Zielsetzung vgl. auch bei: Wiesner, § 37 SGB VIII, Rz. 1).
Rz. 9
Primäres Ziel ist dabei die Rückführung des Kindes bzw. Jugendlichen in seine Herkunftsfamilie (v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 37 Rz. 15). Die Norm setzt damit konsequent die gemeinsame Gestaltung des Hilfeprozesses fort, der bereits in der Aufstellung des Hilfeplans i. S. d. § 36 Abs. 2 begonnen wurde (Wiesner, § 37 SGB VIII, Rz. 8). Die Vorschrift dient im Wesentlichen als Steuerungsinstrument, um diffusen Zukunftsperspektiven der Kinder und Jugendlichen entgegenzuwirken (zu dem Leitkonflikt bei auswärtiger Unterbringung vgl. Münder, § 37 SGB VIII, Rz. 4).
Rz. 10
Die Dauer der Hilfe sowie die weiteren Perspektiven von Bindungen und Lebensort dürfen im Interesse des Kindes nicht tabuisiert werden. Hierzu konkretisiert das Regelungsinstrumentarium der Norm das Aufgabenspektrum des Jugendamtes, das sich am Kindes- und Jugendwohl auszurichten hat. Die Vorschrift orientiert sich an der verfassungsrechtlichen Aufgabe des Staates aus Art. 6 Abs. 2 GG, das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung zu schützen. Das umfasst auch die Pflicht, die Bindungen zu der Herkunftsfamilie zu erhalten, während ein Kind in einer Pflegefamilie untergebracht ist.
Rz. 11
Den Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst auch nach dem KJSG Abs. 1 in Form der Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32), der Vollzeitpflege (§ 33), der Erziehung im Heim oder in sonstiger betreuter Wohnform (§ 34) sowie der Eingliederungshilfe (§ 35 a). Ausdrücklich nicht erfasst ist die Hilfe für junge Volljährige; die Verweisungsnorm des § 41 Abs. 2 schließt eine entsprechende Anwendung von § 37 auch nach der Neufassung durch das KJSG aus. Adressat der Aufgaben nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 sind neben den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe aufgrund des Autonomieprinzips i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 auch die freien Träger. Die Aufgaben nach § 37 Abs. 3 sind aufgrund des Wortlauts "Jugendamt" hingegen ausschließlich dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorbehalten.
Rz. 12
Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF), die regelmäßig in der Fachzeitschrift "Das Jugendamt (JAmt)" veröffentlicht werden, sind im Volltext auf der Webseite des DIJuF unter der Rubrik Publikationen, JAmt – Fachzeitschrift abrufbar (https://dijuf.de/veroeffentlichungen/jamt-fachzeitschrift, zuletzt abgerufen am 31.3.2023).