Rz. 13
Eine Auslandserbringung darf nur dann stattfinden, wenn dies nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfezieles im Einzelfall erforderlich ist. Wie bereits die Regeln in Satz 1 entspricht auch dies den Vorgaben des bereits bis zum 9.6.2021 geltenden Rechts des § 27 Abs. 2 Satz 3 HS 2 a. F.
Rz. 14
Hilfen nach dem Vierten Abschnitt Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige - also Hilfen nach §§ 27 bis 41 – sollen daher nur dann gewährt werden, wenn die im Einzelfall verantwortliche Fachkraft im Hilfeplan nachvollziehbar begründet, warum die Erbringung der Hilfe im Inland nicht Erfolg versprechend ist; § 36 Abs. 2 Satz 1. Danach soll die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist. Mit der Regelung sollen nur solche Maßnahmen erfasst werden, die in einem Hilfeplan nach § 36 definierte sozialpädagogische Ziele der Nachsozialisation und Reintegration verfolgen. Nicht darunter fallen Auslandsaufenthalte im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung, die der Erholung, Freizeit, Bildung oder Ausbildung dienen oder die nicht aus pädagogischen Gründen veranlasst sind.
Rz. 15
Aus § 37c ergeben sich dabei auch noch weitere immanente Grenze eines Wahlrechts, das auf Auslandserbringung abzielt. Insoweit erfolgt nach § 37c Abs. 3 Satz 3 eine weitergehende Kontrolle und Einschränkung dadurch, dass § 78b eine Finanzierung durch den Jugendhilfeträger von besonderen Voraussetzungen abhängig macht (vgl. im Einzelnen auch die Komm. zu § 78a und § 78b). Die Regelung ist angelehnt an die Grundnorm in § 5 Abs. 1 Satz 2.
Rz. 16
Nach der zum 10.6.2021 in Kraft gesetzten Generalnorm zur Zulässigkeit einer Auslandserbringung erschöpft sich die Voraussetzung aber nunmehr nicht im Begriff der "Erforderlichkeit"; bei einer Auslandserbringung hat der Jugendhilfeträger nunmehr auch die Einhaltung der in Satz 2 Nr. 1 und 2 genannten einschlägigen Regeln sicherzustellen, wenn das Kind oder der Jugendliche dem räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 sowie im räumlichen Anwendungsbereich des Haager Kinderschutzübereinkommens unterliegt.
2.1.2.1 Art. 56 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Rechtslage bis 31.7.2022 – nach Nr. 1
Rz. 17
Bis zum 31.7.2022 dürfen Auslandsmaßnahmen des weiteren nur dann erbracht werden, wenn im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 die Voraussetzungen des Art. 56 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 erfüllt sind. Die Unterbringung von Kindern im räumlichen Anwendungsbereich dieses Rechtsinstruments unterliegt den dort geregelten Voraussetzungen.
Rz. 18
Art. 56 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 regelt die Anforderungen an die Unterbringung des Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Der Jugendhilfeträger hat sicherzustellen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Danach sind vor der Entscheidung über die Unterbringung die zuständigen Behörden des betroffenen Mitgliedstaates zu konsultieren. Ergibt die Konsultation, dass die Unterbringung nach dem Recht dieses Mitgliedstaates dessen Zustimmung bedarf, darf die Entscheidung über die Unterbringung nur und erst dann getroffen werden, wenn die Zustimmung erteilt wurde. Die Verfahren der Konsultation und Zustimmung unterliegen dem nationalen Recht des betroffenen Mitgliedsstaates (BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 92; der Gesetzgeber weist auch darauf hin, dass aktuelle Informationen dazu den Merkblättern des Bundesamtes für Justiz sowie dem Europäischen Justizportal entnommen werden können).
Rz. 19
Der räumliche Anwendungsbereich erstreckt sich grundsätzlich auf alle EU-Mitgliedstaaten, sodass Art. 56 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 bei Unterbringung von Kindern in einem Mitgliedstaat der EU zu prüfen ist; ausgenommen ist lediglich Dänemark (hierauf verweist der Gesetzgeber, vgl.: BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 92). Dies ergibt sich aus dem 31. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, wonach Dänemark sich gemäß Art. 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls nicht an der Annahme der Verordnung (EG) Nr. 2201/200 beteiligt. Daher ist die Verordnung (EG) Nr. 2201/200 für Dänemark nicht bindend oder anwendbar.
2.1.2.2 Rechtslage ab dem 1.8.2022 nach Nr. 2
Rz. 20
Durch Art. 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1111 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 10.8.2021 (BGBl. I S. 3424) wird § 38 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 mit Wirkung zum 1.8.2022 bereits erneut geändert werden, nunmehr wird dann auf die Verord...