Rz. 23
Abs. 2 regelt die Voraussetzungen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe in der Regel kumulativ zu erfüllen hat, bevor er über die Gewährung einer Hilfe entscheidet, die im Ausland erbracht wird (BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 92).
Rz. 24
Nach Abs. 3 ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet:
- eine Stellungnahme i. S. v. § 35a Abs. 1a Satz 1 einzuholen, Nr. 1,
- diverse Voraussetzungen beim Leistungserbringer sicherstellen, Nr. 2 Buchst. a bis e, und
- die Eignung der Einrichtung oder Person zu überprüfen, Nr. 3.
Rz. 25
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, wie sich aus dem Wort "und" ergibt.
Rz. 26
Es handelt sich um eine Soll-Vorschrift, sodass nur in begründeten Ausnahmefällen von einer Voraussetzung abgesehen werden kann.
2.2.1 Stellungnahme i. S. v. § 35a Abs. 1a Satz 1 nach Nr. 1
Rz. 27
Nach Nr. 1 hat der Jugendhilfeträger zunächst eine Stellungnahme einer in § 35a Abs. 1a Satz 1 genannten Person einzuholen; die Regelung entspricht dem Inhalt des bisherigen § 36 Abs. 4 a. F. (BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 92).
Rz. 28
Die Verpflichtung zur Beteiligung eines Arztes oder Psychotherapeuten im Sinne der Vorgaben des § 35a Abs. 1a Satz 1 gilt für alle Hilfen sowohl bei Hilfe zur Erziehung nach dem Vierten Abschnitt, also sowohl bei Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. als auch Beihilfen nach § 35a, die im Ausland erbracht werden sollen (zur gesetzgeberischen Intention vgl. Gesetzesentwurf noch zu § 36 Abs. 4, BR-Drs. 295/08 S. 30). Die Hilfe zur Erziehung muss tatsächlich im Ausland erbracht werden (vgl. zur Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe mit Auslandsbezug auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 23.4.2018, SN_2018_0042 Bm, JAmt 2018 S. 204).
Rz. 29
Die Einholung der Stellungnahme verfolgt dabei den neutralen Zweck der Feststellung einer seelischen Störung mit Krankheitswert. Die Stellungnahme ist nicht konstitutiv. Der Jugendhilfeträger ist nicht dran gebunden und hat nach wie vor das Recht, von einer negativen Stellungnahme im Sinne der Feststellung des Ausschlusses einer seelischen Störung mit Krankheitswert abzuweichen.
2.2.2 Anforderungen an den Leistungserbringer nach Nr. 2
Rz. 30
Der Jugendhilfeträger ist nach Nr. 2 weiter verpflichtet, diverse Anforderungen an den Leistungserbringer sicherzustellen. Der Gesetzgeber ist damit dem Umlaufbeschluss 1/2016 der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) v. 23.2.2016 gefolgt (die insoweit inhaltlich interessante Anlage zum Beschluss – S. 14 f. – ist im Internet abrufbar unter der Adresse: https://jfmk.de/wp-content/uploads/2018/12/JFMK_Umlaufbeschluss_1-2016_Anlage_zum_Beschluss.pdf; zuletzt abgerufen am 31.3.2023; vgl: BR-Drs. 5/21, S. 90 = BT-Drs. 19/26107, S. 92).
Rz. 31
Nr. 2 hat Zusammenführungsfunktion. In Nr. 2 werden die an den Leistungserbringer gestellten Anforderungen zusammengeführt, deren Erfüllung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherstellen soll (BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 93).
Rz. 32
Sinn der Regelungen in Nr. 2 ist es, die Qualitätsanforderungen an die Gewährung von Auslandshilfen zu erweitern (BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 93).
Rz. 33
Zu den zu prüfenden Anforderungen zählen kumulativ im Einzelnen folgende Aspekte (die Aspekte waren im Wesentlichen bereits Gegenstand des Umlaufbeschlusses 1/2016 der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) v. 23.2.2016):
- Betriebserlaubnis für eine Einrichtung im Inland nach § 45 nach Buchst. a,
- Einhaltung von Rechtsvorschriften des aufnehmenden Staates, einschließlich des Aufenthaltsrechts nach Buchst. b,
- Erbringung der Hilfen nur durch Fachkräfte nach § 72 Abs. 1 nach Buchst. c,
- Abschluss einer Vereinbarung über die Qualität der Maßnahme nach Buchst. d,
- Anzeige von Kindeswohl gefährdenden Ereignissen oder Entwicklungen durch den Leistungserbringer nach Buchst. e.
2.2.2.1 Betriebserlaubnis nach Buchst. a
Rz. 34
Nr. 2 Buchst. a entspricht der Regelung des § 78b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 in der bis zum 9.6.2021 geltenden Fassung (BR-Drs. 5/21 S. 90 = BT-Drs. 19/26107 S. 93; auf die Komm. zu § 78b a. F. kann daher zurückgegriffen werden).
Rz. 35
Die nun notwendige Betriebserlaubnis nach § 45 im Inland als Grundvoraussetzung zur Durchführung von Auslandsmaßnahmen ermöglicht bei kindeswohlgefährdenden Ereignissen im Ausland eine Überprüfung der Trägereignung und ggf. ein Entzug der Betriebserlaubnis. Somit sind präventiv die Mitwirkungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen im Ausland und reaktiv der Kinderschutz verbessert (vgl. zu diesen Erwägungen bereits die Anlage zum Umlaufbeschlusses 1/2016 der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) v. 23.2.2016, im Internet abrufbar unter der Adresse: https://jfmk.de/wp-content/uploads/2018/12/JFMK_Umlaufbeschluss_1-2016_Anlage_zum_Beschluss.pdf; zuletzt abgerufen am 31.3.2023). Die Notwendigkeit einer Betriebserlaubnis im Inland für Jugendhilfemaßnahmen im Ausland nach Buchst. a verknüpft die im Inland geltenden Maßstäbe für die Erteilung einer Betriebserlaubnis mit der Qualität der Maßnahmeerbringung im Ausland. Einerseits werden so die Qualitätsanforderungen erhöht, andererseits können sich problematische Situationen im Ausland im ...