Rz. 15
§ 39 Abs. 4 bis 6 betreffen ausschließlich Leistungen zum Unterhalt bei Unterbringung außerhalb der Herkunftsfamilie – vgl. die Verweisungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Satz 4, der für die Anwendung auf die Vollzeitpflege i. S. d. § 33 und die Eingliederungshilfe bei einer geeigneten Pflegeperson i. S. d. § 35a Abs. 2 Nr. 3 verweist.
2.6.1 Tatsächlich anfallende Kosten nach Satz 1
Rz. 16
Bemessungsgrundlage für die laufenden Leistungen sind regelmäßig die tatsächlich anfallenden Kosten – § 39 Abs. 4 Satz 1. Abzustellen ist damit prinzipiell auf die konkreten Lebensverhältnisse in der Pflegestelle; eine Ungleichbehandlung zwischen den eigenen Kindern der Pflegeperson und dem Pflegekind soll damit vermieden werden (Münder, § 39 SGB VIII, Rz. 18; Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 31). Begrenzt werden diese tatsächlich anfallenden Kosten allerdings vom angemessenen Umfang. Der Begriff ist nicht weiter definiert (hierauf und auf die damit verbundenen Probleme weist zutreffend hin: Münder, § 39 SGB VIII, Rz. 18). Die Kappung dient aber namentlich dazu, die Kosten bei einer Aufnahme in einer Pflegefamilie der oberen Einkommensklassen beschränken zu können (Wiesner, § 39 SGB VIII, Rz. 32). Damit scheidet z. B. die Übernahme der Kosten für hochpreisige Designer-Bekleidung aus.
2.6.2 Unfallversicherung und Alterssicherung nach Satz 2
Rz. 17
Wie bei der Bemessung des Pflegegeldes in der Kindertagespflege i. S. d. § 23 Abs. 2 Nr. 3, werden nach Satz 2 auch bei der Vollzeitpflege die Kosten für die hälftigen Beiträge für eine angemessene Alterssicherung sowie die Kosten einer Unfallversicherung übernommen (Zielsetzung vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 6.9.2004, BT-Drs. 15/3676 S. 36). Die Erstattungspflicht bezieht sich nur auf tatsächlich nachgewiesene Beiträge; während die Beiträge zur Unfallversicherung voll zu übernehmen sind, werden die Beiträge zu einer angemessenen Alterssicherung lediglich zur Hälfte erstattet. In Satz 2 wird klargestellt, dass sich die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung auf Versicherungen bezieht, die die Risiken der Pflegeperson abdecken (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 295/08 v. 2.5.2008 S. 31). Die von der Rechtsprechung abgelehnte Übernahme von Alterssicherungskosten der Pflegeperson (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.6.1998, 16 A 594/97) hat der Gesetzgeber daher auch mit der Regelung des § 39 Abs. 4 Satz 2 unangetastet gelassen. Durch das Kinderförderungsgesetz wurde im Übrigen auch § 3 Nr. 9 EStG neugefasst; danach sind die vom Träger der Jugendhilfe geleisteten Erstattungen zur Unfallversicherung und Altersvorsorge nach § 39 Abs. 4 Satz 2 steuerfrei.
Rz. 17a
Anspruchsberechtigt – zur Geltendmachung des Anspruchs auf Erstattung von Beiträgen zur Unfallversicherung der Pflegepersonen – sind im Fall der Vollzeitpflege nach § 33 die Personensorgeberechtigten; die Pflegepersonen selbst sind nicht aktiv legitimiert, auch wenn sie den finanziellen Aufwand selbst tragen (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 14.7.2021, 12 S 470/19). Ausdrücklich wird der Anspruchsberechtigte in § 39 Abs. 4 Satz 2 zwar nicht bestimmt. Die Erstattung der Kosten der Unfallversicherung ist aber ausdrücklich den laufenden Leistungen zugeordnet. Damit wird ein enger Bezug zu den Unterhaltsleistungen des § 39 Abs. 1 und Abs. 2 hergestellt (DIJuF, Gutachten zur Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung und zu einer angemessenen Alterssicherung bei allgemeiner Familienpflege (§ 39 Abs. 4 S. 2 SGB VIII), S. 11). Diese Unterhaltsleistungen hat der Gesetzgeber ausdrücklich als Annex der Hilfe zur Erziehung nach §§ 32 bis 35 konzipiert (BT-Drs. 11/5948 S. 75 zu § 38 Abs. 1; DIJuF, Gutachten zur Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung und zu einer angemessenen Alterssicherung bei allgemeiner Familienpflege (§ 39 Abs. 4 S. 2 SGB VIII), S. 6). Inhaber des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 33 ist die personensorgeberechtigte Person (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 14.7.2021, 12 S 470/19 Rz. 28). Die abweichende Auffassung, wonach Inhaber des Anspruchs auf Leistungen nach § 39 das Kind oder der Jugendliche ist, findet in der Systematik der Hilfen zur Erziehung keine Stütze. Ohne explizite anderslautende Zuweisungsnorm ist stets von der Anspruchsinhaberschaft der Sorgeberechtigten für alle mit der Hilfe zur Erziehung zusammenhängenden Leistungen auszugehen, steht das Recht und Pflicht auf Pflege und Erziehung des Kindes diesen doch zuvörderst zu (BVerwG, Urteil v. 12.9.1996, 5 C 31.95 Rz. 13; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.3.2021, 12 A 1908/18 Rz. 34; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.4.2001, 12 A 924/99 Rz. 13; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 14.7.2021, 12 S 470/19 Rz. 29).
Rz. 17b
Die Personensorgeberechtigung kann dabei auch durch Beschluss des zuständigen Familiengerichts übertragen werden, z. B. dadurch, dass dem Jugendamt die Personensorge als Vormund ...