2.1.1 Gesetzgeberische Zielsetzung

 

Rz. 3

Die Vorschrift soll eine sinnvolle, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zweckmäßige Zusammenarbeit öffentlicher und privater Jugendhilfe gewährleisten. Damit soll ein plurales Angebot geschaffen und so das in § 5 normierte Wunsch- und Wahlrecht verwirklicht werden. Damit werden zugleich verfassungsrechtliche Anforderungen in der durch das BVerfG gegebenen Interpretation (BVerfG, Urteil v. 18.7.167, 2 BvF 3/62 u. a.) umgesetzt. Die Vorschrift kennzeichnet damit als Grundnorm das Verhältnis zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe. Die Pflicht zur Zusammenarbeit erfasst alle Träger, Körperschaften und Gruppierungen, die Aufgaben der öffentlichen und der freien Jugendhilfe wahrnehmen.

2.1.2 Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit

 

Rz. 4

Die Vorschrift enthält keine Begriffsdefinition. Der Begriff lässt sich rechtlich kaum näher qualifizieren. Aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs werden mit partnerschaftlichem Verhalten Begriffe wie etwa Offenheit, gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen in Verbindung gebracht. Rechtlich verbindlich und justiziabel ist der Programmsatz des Abs. 1 Satz 1 für die öffentlichen wie für die freien Träger grundsätzlich nicht. Aus partnerschaftlichem Zusammenwirken kann sich allerdings eine Selbstverpflichtung ergeben. Dies setzt jedoch voraus, dass die Partner sich in Bezug auf konkrete Regelungsgegenstände durch vertragliche Vereinbarung gebunden haben. Die Vorschriften der §§ 53ff. SGB X zum öffentlich-rechtlichen Vertrag bieten hierfür ein Instrumentarium. Allenfalls dann, wenn ein hinreichend präzises Angebot eines freien Trägers von dem öffentlichen Träger schlicht ignoriert wird, können sich daraus justiziable Rechte des freien Trägers ergeben (vgl. dazu OVG Münster, Urteil v. 3.12.2001, 12 A 853/00; OVG Lüneburg, Urteil v. 12.1.1999, 4 M 1528/98).

2.1.3 Formen der Zusammenarbeit

 

Rz. 5

Verschiedene Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe sind in einzelnen Vorschriften des SGB VIII ausdrücklich vorgesehen. Grundlegend ist die in § 71 normierte Zusammenarbeit im Jugendhilfeausschuss und im Landesjugendhilfeausschuss. Diese Gremien befassen sich mit allen Angelegenheiten der Jugendhilfe in Bezug auf die Erörterung bestimmter Problemlagen, die Jugendhilfeplanung und die Förderung der freien Jugendhilfe; sie haben innerhalb bestimmter Grenzen ein Beschlussrecht. In Bezug auf bestimmte zu fördernde Maßnahmen sollen gemäß § 78 die Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe in Arbeitsgemeinschaften zusammenarbeiten. Als weitere Formen der Zusammenarbeit sind in § 76 die Beteiligung anerkannter Träger der freien Jugendhilfe an der Wahrnehmung der in § 42f., §§ 50 bis 52a und § 53 Abs. 2 bis 4 genannten "anderen Aufgaben", die Übertragung solcher Aufgaben zur Ausführung und in § 77 Kostenvereinbarungen vorgesehen. §§ 78a bis 78g erlauben Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung. Die sehr offen formulierten Vorschriften über die Leistungen der Jugendhilfe im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels (§§ 11 bis 15) machen deutlich, dass das Gesetz über die gesetzlich geregelten Formen und Tatbestände der Zusammenarbeit hinaus weitere gesetzlich nicht konkretisierte Formen und Felder der Zusammenarbeit voraussetzt. Sie können deshalb gesetzlich nicht näher konkretisiert werden, weil sich ihr Inhalt und Umfang aus der jeweiligen konkreten Situation ergibt. Abstrakt lässt sich lediglich sagen, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei allen Maßnahmen, die sich auf das Verhältnis zur freien Jugendhilfe auswirken können, die freien Träger zu beteiligen hat (Papenheim, in: LPK-SGB VIII, § 4 Rz. 7).

2.1.4 Anspruch auf Zusammenarbeit

 

Rz. 6

Schon aus dem Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit folgt, dass sich aus der Grundnorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich kein durchsetzbarer Anspruch auf Zusammenarbeit in bestimmter Art und Weise und in einer bestimmten Handlungsform ergeben kann. In Betracht kommen lediglich in bestimmten Konstellationen Ansprüche auf Information, auf Beteiligung und auf ermessensfehlerfreie Entscheidung innerhalb der in § 71, §§ 76 bis 78g vorgegebenen Voraussetzungen. Das Ermessen des Trägers öffentlicher Jugendhilfe ist z. B. dahin reduziert, eine Kindertagesstätte zu fördern, wenn diese in den Bedarfsplan aufgenommen worden ist und solange der Bedarfsplan nicht geändert worden ist (OVG Lüneburg, Beschluss v. 16.6.1997, 4 M 1219/97).

 

Rz. 7

Auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialraumorientierung ist eine Kontingentierung oder Budgetierung der Beteiligung freier Träger losgelöst von den Gegebenheiten des Einzelfalles weder durch den Grundsatz der Trägervielfalt aus § 3 Abs. 1, noch durch das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 Abs. 1 und auch nicht durch die in §§ 75, 78, 78a geregelte Ermächtigung zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften gedeckt (OVG Berlin, Beschluss v. 4.4.2005, 6 S 415.04; OVG Hamburg, Beschluss v. 1.10.2004, 4 Bs 388/04). Vielmehr kommt in Betracht, dass eine solche Vorauswahl gegen diese Vorschriften verstößt. Sie verletzt mangels gesetzlicher Rechtfertigung das Grundrech...

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