2.2.2.1 Anerkannte Träger

 

Rz. 17

Schon aus den vorangehenden Ausführungen geht hervor, dass der Vorrang der freien Jugendhilfe begrenzt ist. Zudem nennt der Wortlaut des Abs. 2 zwingend zu beachtende Voraussetzungen. Nur anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe kann der Vorrang eingeräumt werden. Die Voraussetzungen für die Anerkennung sind in § 75 Abs. 1 und 2 geregelt. Ein Rechtsanspruch auf Anerkennung kann demnach erst nach 3-jähriger Tätigkeit erworben werden. Gemäß § 75 Abs. 3 sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die Bundesverbände der freien Wohlfahrtspflege kraft Gesetzes anerkannte Träger der freien Jugendhilfe.

2.2.2.2 Geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen

 

Rz. 18

Eine Einrichtung ist eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck unter der Verantwortung eines Trägers. Ihr Bestand und ihr Charakter sind von Personalwechsel weitgehend unabhängig. Der Einrichtungsbegriff ist vielmehr orts- und gebäudebezogen (BT-Drs. 11/5948 S. 83 zu § 44 Entwurf). Der Begriffsinhalt erfasst sowohl die sächlichen Bestandteile als auch das Personal. Zu den Einrichtungen der Jugendhilfe gehören z. B. Kindertagesstätten, Kinderhorte und Jugendbegegnungsstätten.

 

Rz. 19

Hingegen sind Dienste nicht auf Räumlichkeiten oder einen festen Standort angewiesen. Der Dienst bringt die Leistung zu dem Bedürftigen (BT-Drs., a. a. O.). Zu den Diensten der Jugendhilfe gehören z. B. Streetwork, Pflegekinderdienst, Familienhilfedienst. Veranstaltungen sind zeitlich begrenzte allgemeine Angebote und Leistungen, die einer Personenmehrheit vermittelt werden. Dazu gehören z. B. Informationsveranstaltungen sowie Kinder- und Jugendferienlager.

 

Rz. 20

Die Eignung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Bei Einrichtungen ist die Eignung sowohl in Bezug auf die Ausstattung der Einrichtung mit sächlichen Mitteln und mit Personal als auch in Bezug auf den Träger der Einrichtung zu prüfen. Bei Diensten und Veranstaltungen konzentriert sich die Prüfung noch wesentlich stärker auf die Eignung des Jugendhilfeträgers. Diese Prüfung ist ausgehend von der Konzeption des freien Trägers vorzunehmen. Diese muss geeignet sein, den Auftrag der Einrichtung bzw. des Dienstes oder der Veranstaltung zu erreichen. Dieser Auftrag ist aufgrund einer Konkretisierung der für die jeweilige Aufgabe maßgeblichen Bestimmungen des SGB VIII zu bestimmen. Die Konzeption muss sich am Bedarf, d. h. an den Bedürfnissen der Leistungs- oder Hilfeempfänger orientieren. Der für die Einrichtung, die Dienste bzw. die Veranstaltung verantwortliche freie Träger muss in personeller Hinsicht die Gewähr dafür bieten, dass die Einrichtung, der Dienst oder die Veranstaltung die gestellte Aufgabe erfüllt und das gesetzte Ziel erreicht.

 

Rz. 21

Der Vorrang der freien Jugendhilfe besteht nur dann und nur insoweit, wie der freie Träger die Einrichtung, den Dienst oder die Veranstaltung bereits betreibt oder sie rechtzeitig geschaffen werden kann. Dass eine noch nicht vorhandene Einrichtung rechtzeitig geschaffen wird, kann nur dann angenommen werden, wenn eine konkrete und schlüssig nachvollziehbare Planung vorgelegt und die Bereitstellung der sächlichen und personellen Mittel gesichert ist. Der öffentliche Träger der Jugendhilfe kann daher eigene Maßnahmen durchführen, wenn seine Anregungen und Förderungsmaßnahmen bei den Trägern der freien Jugendhilfe nicht zum Ziel führen (OVG Lüneburg, Beschluss v. 7.9.2011, 4 ME 97/11).

 

Rz. 22

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 vor, so "soll" die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen. Demnach liegt eine Ermessensbindung vor, soweit nicht besondere (atypische) Umstände eine andere Entscheidung rechtfertigen. Einen Anspruch auf Förderung kann der freie Träger freilich nicht allein aus § 4 Abs. 2 sondern nach Maßgabe des § 74 Abs. 1 herleiten.

2.2.2.3 Förderung der freien Jugendhilfe

 

Rz. 23

Abs. 3 enthält einen Programmsatz. Im Jugendhilferecht gibt es für Träger der freien Jugendhilfe keinen strikten Rechtsanspruch auf Förderung. Die einzelnen Voraussetzungen für die Förderung der freien Jugendhilfe sind in § 74 geregelt. Aus der Zusammenschau der § 4 Abs. 3, § 74 Abs. 1 und 3 ergibt sich kein strikter Rechtsanspruch auf eine Förderung in bestimmter Höhe oder auch nur dem Grunde nach. Einen Anspruch auf eine Förderung kann es nur geben, wenn das Förderermessen des zuständigen Jugendhilfeträgers entsprechend reduziert ist (OVG Lüneburg, Beschluss v. 17.5.2005, 12 ME 93/05). Das Gesetz betont besonders die Verpflichtung des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe zur Stärkung der Selbsthilfe. Die in den §§ 78a bis 78g geregelte Entgeltfinanzierung kommt nur in den in § 78a genannte Fällen in Betracht und betrifft bestimmte gesetzlich geregelte Leistungen und Hilfen. Nach §§ 4 und 74 wird hingegen die freiwillige Tätigkeit in der Jugendhilfe gefördert, auf die kein Rechtsanspruch besteht (OVG Halle, Urteil v. 21.9.2006, 4 A 225/04; Neumann, in: Hauck/Noftz, § 4 SGB VIII Rz. 18; a. A.: Schellhorn, in: Schellhorn, ...

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