Rz. 11
Bis zum 9.6.2021 galt der Begriff der Notwendigkeit.
Rz. 12
Aufgrund der Eigenständigkeit des Anspruchs knüpft die Gewährung der Volljährigkeitshilfe nicht an einen wie auch immer gearteten Erziehungsbedarf an. Notwendig, aber auch ausreichend als Voraussetzung für die Förderung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 ist, dass die Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (Wiesner, § 41 SGB VIII, Rz. 9, der zutreffend die Unschärfe der Tatbestandsvoraussetzungen kritisiert; vgl. unten Rz. 6). § 41 knüpft hierbei ausdrücklich nicht mehr an die Schul- oder Berufsausbildung des Anspruchstellers an (dies forderten die heute nicht mehr gültigen Vorschriften § 6 Abs. 3, § 75 a JWG; vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 25.2.1998, 4 L 5734/96). Aufgrund der Intention des § 41, die Persönlichkeitsentwicklung und die Entwicklung der eigenverantwortlichen Lebensführung zu fördern, kann der Anspruch sogar dann gegeben sein, wenn eine Ausbildung bereits beendet ist. Notwendig ist auch nicht die Gewährung von Hilfe zur Erziehung bereits vor Beginn der Volljährigkeitsgrenze (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 01/2018, § 41 SGB VIII, Rz. 8b).
Rz. 13
Mit dem Begriff der Notwendigkeit der Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und Lebensführung ist deren Geeignetheit angesprochen. Die Eingliederungshilfe i. S. v. § 41 Abs. 2 muss das geeignete und erforderliche Mittel sein, den Entwicklungsrückständen des jungen Volljährigeren entgegenzuwirken (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 12.62014, 12 A 659/14 Rz. 3). Dies ist eine Frage des Einzelfalls (zur Frage der Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.1.2012, 12 B 1583/11, Rz. 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 16.10.1995, 7 S 1345/93; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 16.10.2003, 19 L 2526/03; VG Minden, Beschluss v. 21.8.2014, 6 K 353/14). Die Geeignetheit einer Hilfe setzt regelmäßig zunächst die Störung der Persönlichkeitsentwicklung und der eigenverantwortlichen Lebensführung voraus (zum Begriff vgl. auch bei v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 41 Rz. 12). Bei der Feststellung einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung ist i. S. v. § 9 Nr. 2 auch bei der Hilfe nach § 41 den unterschiedlichen Lebensentwürfen und -bedingungen der jungen Menschen Rechnung zu tragen. Eine Hilfe ist daher nicht angezeigt, wenn der junge Volljährige bewusst einem alternativen Lebensentwurf folgt. Er muss sich nicht für eine etablierte Lebensform entschieden haben. Die Jugendhilfe darf daher nicht von einem stromlinienförmigen Persönlichkeitsprofil ausgehen und bei jeder Abweichung bereits tätig werden (vgl. Münder, § 41 SGB VIII, Rz. 4, 5).
Rz. 14
Bei bestimmten Einzelfallkonstellationen ist die Störung der Persönlichkeitsentwicklung und der eigenverantwortlichen Lebensführung zu bejahen. Die Beeinträchtigung der Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung ist regelmäßig bei einer seelischen Behinderung i. S. d. Eingliederungshilfe gemäß § 35a anzunehmen (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 16.10.2003, 19 L 2526/03). Im Übrigen kommt eine solche Störung in Betracht, bei Defiziten in der schulischen oder beruflichen Ausbildung, bei gesundheitlichen Einschränkungen oder auch bei schwierigen sozialen Bindungen (Wiesner, § 41 SGB VIII, Rz. 13, weitere Fallgruppen auch Rz. 17 ff.). Namentlich ist die Störung zu bejahen, wenn bereits Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe gewährt wurde (hierauf weist hin Wiesner, § 41 SGB VIII, Rz. 16). Die Volljährigkeit als solche beeinflusst hingegen nicht die Voraussetzungen der Hilfe. Sie kann nur Anlass für das Jugendamt sein, rechtzeitig zu prüfen, ob Volljährigenhilfe nach § 41 notwendig ist. In diesem Fall hat das Jugendamt dem Anspruchsberechtigten im Rahmen der Beratung nach § 36 Abs. 1 nahe zu legen, einen entsprechenden Antrag beim Jugendamt zu stellen.
Rz. 15
Die Hilfe muss geeignet sein, um die Störung zu beseitigen. Hierbei handelt es sich um eine ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung. Ein Leistungsanspruch besteht von vornherein nicht, wenn überhaupt keine Erfolgsaussicht besteht (v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 41 Rz. 13). Erforderlich ist daher eine Erfolgsprognose durch den Jugendhilfeträger; als Prognosezeitpunkt kommt grundsätzlich der Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der begehrten Maßnahme in Betracht (vgl. insoweit: VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 4.11.1997, 9 S 1462/96; mit weitergehenden Überlegungen: VG Ansbach, Urteil v. 13.7.2006, AN 14 K 04.03064). Auch wenn die Erfolgsprognose kein Tatbestandsmerkmal ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.12.2006, 12 B 2316/06; a. A. Wiesner, § 41 SGB VIII, Rz. 23, der die Erfolgsprognose als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ansieht), spielt sie als Kriterium der Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfemaßnahme eine entscheide...