Rz. 43
Sofern die Hilfe nicht fortgesetzt oder beendet werden soll, trifft den Jugendhilfeträger die Prüfpflicht, ob ein Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Sozialleistungsträger in Betracht kommt.
Rz. 44
Damit delegiert das Gesetz zumindest teilweise die Verantwortung auch für eine rechtzeitige Antragstellung – insbesondere im Hinblick auf die durch das Bedarfsdeckungsprinzip geprägten Grundsicherungsleistungen – auf den Jugendhilfeträger.
Rz. 45
Mit Abs. 3 trägt der Gesetzgeber auch dem klaren Votum der Arbeitsgruppe "SGB VIII: Mitreden-Mitgestalten" Rechnung, die die Ansicht vertreten hatte, dass eine qualifizierte Übergangsplanung von zentraler Bedeutung für die Ziele der Jugendhilfe ist, um junge Menschen zu Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit zu führen (Abschlussbericht Mitreden-Mitgestalten: Die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe, S. 33; vgl. BR-Drs. 5/21 S. 93 = BT-Drs. 19/26107 S. 95).
2.3.1 Voraussetzung – Beendigung der Hilfe
Rz. 46
Einzige Voraussetzung für die Prüfpflicht des Jugendhilfeträgers nach Abs. 3 ist die beabsichtigte Beendigung bzw. die beabsichtigte Entscheidung über die Nichtfortsetzung einer erzieherischen Hilfe nach §§ 27 ff. Das beurteilt sich nach der Maßgabe des Hilfeplans.
Rz. 47
Begrifflich meint Nichtfortsetzung, dass eine erzieherische Hilfe nach §§ 27 ff. allein aufgrund der Vollendung des 18. Lebensjahres nicht nach Maßgabe des § 41 als Hilfe für junge Volljährige fortgesetzt wird (vgl. zur Begrifflichkeit: BR-Drs. 5/21 S. 92 = BT-Drs. 19/26107 S. 94). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 wird der Jugendliche mit Vollendung des 18. Lebensjahres junger Volljähriger. Damit endet eine Bewilligung von Leistung nach §§ 27 ff. grundsätzlich, weil diese Leistungen nur für Kinder i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder für Jugendliche i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 2 in Betracht kommt. Semantisch und inhaltlich trägt dieser Begriff der Nichtfortsetzung daher der Zäsur mit Vollendung des 18. Lebensjahres und damit dem Eintritt der Volljährigkeit Rechnung.
Rz. 48
Der Begriff der Beendigung betrifft inhaltlich die Fälle, in denen zunächst nach Eintritt der Volljährigkeit dem jungen Volljährigen i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 – also zwischen Vollendung des 18. Lebensjahres und Vollendung des 27. Lebensjahres – erzieherische Hilfe nach § 41 bewilligt wurde, diese aber beendet werden soll (vgl. zur Begrifflichkeit wiederum: BR-Drs. 5/21 S. 92 = BT-Drs. 19/26107 S. 94). Dabei ist es unerheblich, ob die Hilfe beendet wird, weil der junge Volljährige das 27. Lebensjahr vollendet, damit nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 zum jungen Menschen wird und damit nach der Gesetzeskonstruktion aus der Hilfe für junge Volljährige rausfällt oder weil die Hilfe bereits vorzeitig wegen Erreichung des Ziels – also bei Abschluss der Persönlichkeitsentwicklung hin zu einer selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung – beendet wird.
Rz. 49
Die Gewährung der Volljährigenhilfe erfolgt durch Verwaltungsakt, der an den jungen Volljährigen zu richten ist. Die Volljährigenhilfe endet nicht automatisch, sondern kann vom Jugendhilfeträger ebenfalls nur durch Verwaltungsakt aufgehoben werden, wenn die in § 41 Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind und zuvor eine Beratung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 stattgefunden hat. Die Beendigung der Jugendhilfemaßnahmen dürfen der Erreichung der gesetzlichen Ziele i. S. d. § 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 nicht entgegenstehen.
2.3.2 Prüfzeitpunkt
Rz. 50
Der Zeitpunkt der Prüfpflicht ist festgelegt. Der Jugendhilfeträger hat bereits ein Jahr vor dem im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung in das Prüfverfahren einzusteigen. Der Hilfeplan, der nach § 36 Abs. 2 Satz 2 zwingend aufzustellen ist, beinhaltet nicht nur die ausdrücklich in Bezug genommenen Regelungen über die Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen, sondern beinhaltet auch Regeln über die Dauer und damit auch über das Ende der Hilfe. An diese Prognose ist der Jugendhilfeträger auch bei der Prüfung der Zuständigkeit etwaiger anderer Sozialleistungsträger gebunden.
Rz. 51
Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Prüfung ein Jahr vor Beendigung der Hilfe zu einem Ergebnis kommen muss. Vielmehr ist spätestens ab diesem Zeitpunkt der Bedarf des jungen Menschen insbesondere auch im Hinblick auf die Notwendigkeit der Leistungen anderer Sozialleistungsträger verstärkt zu prüfen.
Rz. 52
Mit der Regelung "ein Jahr vor dem Ende" sorgt der Gesetzgeber für einen Gleichklang mit den weiteren Regelungen zum Zuständigkeitsübergang in § 36b Abs. 2 Satz 2, wonach die Teilhabeplanung frühzeitig, i. d. R. ein Jahr vor dem voraussichtlichen Zuständigkeitswechsel, vom Träger der Jugendhilfe einzuleiten ist (der Zeitraum in § 36b Abs. 2 Satz 2 ist durch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)) von ursprünglich 6 Monate auf ein Jahr angehoben worden, vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 35, 105). Im Anwendungsbereich des § 36b hat der Gesetzgeber einen Zeitraum von 6 Monaten insoweit für eine Über...