Rz. 7
Die Erlaubnis ist nach Abs. 2 Satz 1 zu erteilen, wenn der Antragsteller für die Kindertagespflege geeignet ist. Bei dem Tatbestandsmerkmal der "Eignung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.7.2012, 12 B 815/12). Die Eignungsaussage wird zunächst durch die Regelungen in den Sätzen 2 bis 4 und ggf. durch Landesrecht (Abs. 5) konkretisiert. Danach hat das zuständige Jugendamt bei der Prüfung prognostisch (vor Aufnahme der Pflege) zu würdigen, ob die Tagespflegeperson in persönlicher und in pädagogischer Hinsicht für die Pflege geeignet ist und über kindgerechte Räumlichkeiten verfügt. Abgesehen von diesen ausführlich genannten Kriterien hat das Jugendamt ferner in den Blick zu nehmen, ob weitere Risiken oder Gefahren für die Entwicklung der Kinder in Tagespflege vorhanden sind (VG Aachen, Beschluss v. 15.5.2006, 2 L 193/06). Denn andernfalls könnte das Jugendamt nicht seinem Auftrag gerecht werden, das Kindeswohl in der Tagespflege zu gewährleisten. Die Eignungsprüfung bezieht sich allerdings nicht auf die Einhaltung optimaler Bedingungen, sondern nur auf Mindeststandards. Denn der Jugendhilfeträger ist nicht befugt, seine Vorstellungen von Erziehung gegenüber denen der Sorgeberechtigten durchzusetzen; er hat kein eigenes "Erziehungsrecht" (BT-Drs. 11/5948 S. 83). Bei der Prüfung ist zudem zu berücksichtigen, dass es – anders als bei der Erlaubnis zur Vollzeitpflege nach § 44 – nicht darauf ankommt, welche konkreten Kinder die Tagespflegeperson betreuen will; sie muss generell zur Kindertagespflege geeignet sein.
Im Einzelnen sind folgende Punkte zu würdigen:
Rz. 8
Persönliche Eignung der Tagespflegeperson:
- sie fehlt, wenn ein festgestellter Mangel an persönlicher Integrität und Zuverlässigkeit negative Auswirkungen von nicht unerheblichem Gewicht auf die betreuten Kinder konkret befürchten lässt (Bay VGH, Beschluss v. 18.10.2012, 12 B 12.1048);
Im Einzelnen sind folgende Aspekte entscheidend:
- Verantwortungsbewusstsein, Umsicht, Fähigkeit zu emotionaler Zuwendung;
- Fähigkeit zur Reflexion und Selbstkritik (Bay VGH, Beschluss v. 18.10.2012, 12 B 12.1048; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 2.9.2008, 12 B 1224/08);
- ausreichende körperliche und seelische Belastbarkeit, um die in § 22 Abs. 2 und 3 festgehaltenen Ziele der Tagespflege erfüllen zu können (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 2.9.2008, 12 B 1224/08); diese kann bei psychischen Behinderungen fehlen, weil die Betreuung fremder Kinder in Tagespflege ein hohes Maß an psychischer Stabilität erfordert, um auch Stress- und Krisensituationen angemessen bewältigen zu können (Nds OVG, Beschluss v. 4.6.2010, 4 PA 144/10);
- insoweit kann ein hohes Lebensalter der Tagespflegeperson gegen die persönliche Eignung sprechen, bei ausreichender körperlicher und psychischer Belastbarkeit muss dies aber nicht unbedingt zutreffen (OVG Bremen, Beschluss v. 17.11.2010, 2 B 256/10; VG Marburg, Beschluss v. 18.7.2012, 4 B 158/12; Nds OVG, Urteil v. 10.4.2002, 4 LB 53/02 zu § 44);
- Vergleichbares gilt für den Umstand, dass die Tagespflegeperson eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht; hier sind auch immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend (Bay VGH, Beschluss v. 18.10.2012, 12 B 12.1048);
- Alkoholprobleme können gegen die Eignung sprechen, insbesondere wenn die Tagespflegeperson in der Vergangenheit alkoholisiert Kinder betreut hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.7.2012, 12 B 815/12);
- die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensrichtung spricht nicht zwingend gegen die Eignung (OLG Köln, Beschluss v. 25.3.1999, 21 WF 45/99); werden die Kinder aber z. B. nach den Grundsätzen der Scientology Organisation erzogen, so widerspricht das der Eignung (Bay VGH, Beschluss v. 31.5.2010, 12 BV 09.2400, dort verneint, da bloße Zugehörigkeit);
- bei einschlägigen Vorstrafen ist die persönliche Eignung nicht gegeben. Das sind nach Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 72a Abs. 1 und 5 vor allem: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184e StGB), Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB) und Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB). Dies soll durch Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses geprüft werden, § 72a Abs. 1 Satz 2; mangels rechtlicher Grundlage scheidet aber eine "Leumundsauskunft" (Auskunft über gespeicherte polizeiliche Daten) aus (VG München, Urteil v. 28.9.2011, M 18 K 11.3325);
- geordnete wirtschaftliche Verhältnisse.
- Die auf Dauer angelegte Überschreitung der Höchstzahl der zu betreuenden Kinder stellt – bereits für sich gesehen – eine schwere Pflichtverletzung der Tagespflegeperson dar, die auf eine mangelnde Sorgfalt im Umgang mit den zu betreuenden Kindern schließen lässt. Auf den Eintritt eines Schadensereignisses kommt es insoweit nicht an (Sächs. OVG, Beschluss v. 23.10.2017, 4 B 173/17, Rz. 22 mit Hinweis auf Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl., § 43 Rz. 39b).
Rz. 9
Pädagogische ...