2.1 Erlaubnisvorbehalt
2.1.1 Eingreifen des Erlaubnisvorbehalts (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 3
Grundsätzlich steht nach Abs. 1 Satz 1 jede (Vollzeit-)Pflegestelle unter einem sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Dies besagt, dass vor Aufnahme der Vollzeitpflege eine Erlaubnis des zuständigen Jugendamtes einzuholen ist. In der Folge zieht das eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Personensorgeberechtigten nach sich, da diese in ihrem Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind beschränkt werden; sie können nicht uneingeschränkt bestimmen, wo sie ihre Kinder in Pflege geben. Gleichzeitig sind auch Rechtspositionen der Pflegeperson (Schutz der Pflegefamilie, Gewerbefreiheit, Handlungsfreiheit) betroffen (BT-Drs. 11/5948 S. 83). Diese Einschränkungen sind aber gerechtfertigt, weil das Wohl von Kindern und Jugendlichen höher zu bewerten ist, als die vorgenannten Rechtspositionen.
Rz. 4
Der Erlaubnisvorbehalt gilt für jede Pflegeperson. Pflegeperson ist nach der Legaldefinition in Abs. 1 Satz 1, "wer ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will" (diese Legaldefinition gilt für das gesamt SGB VIII, BVerwG, Urteil v. 1.9.2011, 5 C 20/10). Anders also als bei der Tagespflegeperson nach § 43 erfolgt die Aufnahme hier ganztägig, also über 24 Stunden. Dies führt regelmäßig dazu, dass der Minderjährige bei der Pflegeperson zumindest vorübergehend seinen Lebensmittelpunkt findet, also dort wohnt. Aber auch kurzfristige Aufenthalte fallen hierunter. Dies zeigt ein Vergleich zur Ausnahmeregelung in Satz 2 Nr. 4, wonach die Aufnahme aus dem Erlaubnisvorbehalt aus Satz 1 (wieder) herausgenommen wird, wenn sie bis zu 8 Wochen andauern soll. Ferner muss eine Aufnahme in den Haushalt der Pflegeperson erfolgen. Hierunter fallen alle privaten Wohnformen, unabhängig davon, wie sie organisiert sind. Es kann sich um eine Familie, aber auch eine alleinstehende Person handeln. Über den Haushaltsbegriff und die Bindung an die Pflegeperson wird in erster Linie eine Abgrenzung zur Einrichtung nach § 45 vollzogen (dort vor allem: organisatorische Verantwortung bei einem Träger, vgl. Komm. zu § 45).
Hinsichtlich der vorgenannten Umstände ist eine Prognose erforderlich, da vor Beginn der Vollzeitpflege zu entscheiden ist, ob und nach welchen Vorschriften diese erlaubnispflichtig ist (sog. präventiver Erlaubnisvorbehalt). Zugleich bedeutet die Aufnahme erlaubnispflichtiger Vollzeitpflege ohne Pflegeerlaubnis eine Ordnungswidrigkeit nach § 104 Abs. 1 Nr. 1.
2.1.2 Ausnahmen (Abs. 1 Satz 2 und 3)
Rz. 5
Vom grundsätzlichen Erlaubnisvorbehalt aus Abs. 1 Satz 1 macht Satz 2 Ausnahmen. Die dort genannten Pflegepersonen können ihre Aufgabe also ohne vorherige Erlaubnis aufnehmen.
Nach Satz 2 Nr. 1 bedarf die Pflegeperson keiner Erlaubnis, die den Minderjährigen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 Satz 2) oder in Vollzeitpflege (§ 33) oder – soweit es sich um einen seelisch behinderten Minderjährigen handelt – der Eingliederungshilfe (§ 35a Abs. 2 Nr. 3) in ihren Haushalt aufnimmt, sofern dies durch Vermittlung des Jugendamtes erfolgt. Hintergrund dieser Ausnahme ist die Überlegung, dass über die Leistungsgewährung und Vermittlung durch das Jugendamt inzidenter geprüft wird, ob die Pflegeperson geeignet ist. Die Beziehung des Jugendamtes zur Pflegeperson kann genutzt werden, um Gefahren für das Kindeswohl rechtzeitig im Vorfeld zu begegnen (BT-Drs. 11/5948 S. 82). Hiermit ist ein Großteil der Vollzeitpflege erlaubnisfrei gestellt, da die vorgenannten Leistungen oft in der Vollzeitpflege gewährt werden.
Satz 2 Nr. 2 befreit Vormund und Pfleger im Rahmen ihres Wirkungskreises von der Erlaubnispflicht, da die Kontrolle durch das Vormundschaftsgericht ausreichend ist (§§ 1779, 1915 und 1837 Abs. 1 BGB).
Satz 2 Nr. 3 erfasst Verwandte und Verschwägerte des Minderjährigen bis zum 3. Grad. Hierunter fallen folgende Verwandte: Geschwister, Halbgeschwister, Neffe und Nichte, Großeltern (BVerwG, Urteil v. 12.9.1996, 5 C 31/95), Urgroßeltern, Onkel und Tante. Schwägerschaft besteht zu den Ehegatten der Vorgenannten.
Nach Satz 2 Nr. 4 sind kurzfristige Vollzeitpflegeverhältnisse bis zur Dauer von 8 Wochen genehmigungsfrei.
Ferner nimmt Satz 2 Nr. 5 den Schüler- und Jugendaustausch aus der Erlaubnispflicht. Hier sind Gefahren für das Kindeswohl nicht zu besorgen, weil durch die Schulen bzw. Organisatoren und Personensorgeberechtigten eine ausreichende Kontrolle sichergestellt ist.
Schließlich bedarf nach Satz 2 Nr. 6 keiner Erlaubnis, wer einen Minderjährigen in Adoptionspflege nach § 1744 BGB nimmt. Unter Adoptionspflege versteht man die der eigentlichen Adoption vorausgehende "Probezeit", deren Erfahrungen Grundlage für die Entscheidung über die Eignung von Kind und Familie des Annehmenden für die Adoption sein sollen (BT-Drs. 7/3061 S. 32). §§ 7 f. des Adoptionsvermittlungsgesetzes schreiben eine Eignungsprüfung vor Aufnahme der Adoptionspflege vor, wodurch eine ausreichende Kontrolle sichergestellt ist (BT-Drs. 12/3711 S. 43).
2.1.3 Voraussetzungen und Verfahren der Erlaubniserteilung (Abs. 2)
Rz. 6
Die Erteilung der Pflegeerlaubnis setzt voraus, dass das Wohl des Minderjährigen in der P...