2.2.1 Überwachung (Abs. 3 Satz 1)
Rz. 16
Nach Erteilung der Pflegeerlaubnis hat das Jugendamt nach Abs. 3 Satz 1 den Auftrag ("soll"), an Ort und Stelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung weiter bestehen, das Kindeswohl in der Pflegefamilie also nach wie vor gewährleistet ist. Diese Überwachungspflicht bedeutet aber keine permanente Kontrolle aller Pflegestellen. Häufigkeit und Ausmaß der Überprüfung sind vielmehr nach den Erfordernissen des Einzelfalles zu bestimmen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist einerseits zu würdigen, dass der Staat in der Pflicht steht, das Kindeswohl zu schützen (§ 8a). Andererseits steht (auch) die Pflegefamilie unter dem Schutz des GG. Ferner muss staatliche Überwachung verhältnismäßig erfolgen (BT-Drs. 11/5948 S. 83). Hieraus folgt, dass die Prüfung durch einen konkreten Anlass gerechtfertigt sein muss, wobei mit zunehmender Dauer der Vollzeitpflege die Schwelle zur Überwachung steigt, da mit zunehmender Bindung von Pflegeperson zu Pflegekind dieses Verhältnis stärkeren Grundrechtsschutz genießt. Anfangs kann demnach auch schon ein geringerer (konkreter) Anlass eine Überwachung erforderlich machen (Schindler, JAmt 2004 S. 169, 174).
Rz. 17
Der Überwachungsauftrag aus Abs. 3 Satz 1 vermittelt dem Jugendamt keine Eingriffsbefugnisse, weswegen das Jugendamt insbesondere nicht berechtigt ist, die Wohnung gegen den Willen der Pflegeperson zu betreten, da diese Grundrechtsschutz aus Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) genießt. Einige landesrechtliche Regelungen sehen aber Betretungsrechte vor, z. B. § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 AG KJHG NW. Dem Jugendamt bleibt im Übrigen nur die Möglichkeit, über § 42 Abs. 1 einzugreifen (BT-Drs. 11/5948 S. 83), ggf. unter Hinzuziehung der Polizei, § 42 Abs. 6.
2.2.2 Rücknahme und Widerruf (Abs. 3 Satz 2)
Rz. 18
Stellt sich nach Erteilung der Pflegeerlaubnis heraus, dass das Kindeswohl gefährdet ist, ist es also hinreichend wahrscheinlich, dass das Kindeswohl bei der Pflegeperson in absehbarer Zeit nicht mehr gewährleistet ist, so hat das Jugendamt unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einzugreifen. Hieraus folgt, dass prognostisch abzuschätzen ist, ob die Gefährdung des Kindeswohls bereits im Einvernehmen mit der Pflegeperson abgewendet werden kann, beispielsweise durch Beratungs- und Unterstützungsangebote, auf die die Pflegeperson nach § 37 Abs. 2 einen Anspruch hat. Trifft dies zu, so hat das Jugendamt die Kindeswohlgefährdung zunächst durch dieses – mildere – Mittel abzuwenden.
Rz. 19
Lässt sich hierdurch die Gefahr nicht abwenden, so steht das Jugendamt in der Pflicht ("ist"), die Pflegeerlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen. Mildere Mittel im Vergleich zur Beendigung des Pflegeverhältnisses sind dann nicht mehr gegeben. Das Jugendamt kann also beispielsweise nicht lediglich eine gleichzeitig gewährte Leistung einstellen, etwa die künftige Zahlung von Pflegegeld verweigern, und das Pflegeverhältnis bestehen lassen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 9.7.2003, 9 S 1070/03). Ein Widerruf kann beispielsweise darin begründet sein, dass der im Haushalt lebende Partner der Pflegeperson des sexuellen Missbrauchs eines Pflegekindes verdächtig ist; in diesem Fall werden regelmäßig auch die Pflegeerlaubnisse für die weiteren im Haushalt lebenden Pflegekinder zu widerrufen sein, hinsichtlich der keine Verdachtsmomente gegeben sind (VG Ansbach, Beschluss v. 23.2.2006, AN 14 K 05.01916).
Rechtsgrundlage für Rücknahme und Widerruf ist die Spezialregelung in Abs. 3 Satz 2, die den allgemeinen Regelungen in §§ 44 ff. SGB X vorgeht (BT-Drs. 11/5948 S. 83). Rücknahme und Widerruf stehen dabei unter der alleinigen Voraussetzung, dass das Kindeswohl (weiterhin) gefährdet ist, eine Schädigung also in absehbarer Zeit droht. Das Gesetz fragt hierbei nicht nach den Gründen. Es ist unerheblich, ob die Pflegeperson zur Abstellung der Gefährdung – von vornherein oder nachträglich – nicht gewillt oder in der Lage ist. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Pflegeperson bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Fortbestandes der Pflegeerlaubnis genießt.
Rz. 20
Verfahrenstechnisch ist die Erlaubnis zurückzunehmen, wenn die Gefahr bereits im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung gegeben war, die Pflegeperson beispielsweise (ohne Erlaubnis) mehr als 5 Minderjährige in Vollzeit betreut. Ist die Gefahr erst nachträglich eingetreten, so greift der Widerruf. Pflegeperson und Personensorgeberechtigter sind vorher nach § 24 SGB X anzuhören. Hiervon kann abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint, § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X. Zuständig ist auch hier der örtliche Jugendhilfeträger, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 85 Abs. 1, § 87a Abs. 1.
Rz. 21
Rücknahme und Widerruf besagen noch nichts über den Verbleib des Pflegekindes. Deswegen empfiehlt es sich, die Sorgeberechtigten (Eltern) aufzufordern, das Kind aus der Vollzeitpflege herauszunehmen. Folgen diese der Empfehlung nicht, so kann da...