Rz. 18
Stellt sich nach Erteilung der Pflegeerlaubnis heraus, dass das Kindeswohl gefährdet ist, ist es also hinreichend wahrscheinlich, dass das Kindeswohl bei der Pflegeperson in absehbarer Zeit nicht mehr gewährleistet ist, so hat das Jugendamt unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einzugreifen. Hieraus folgt, dass prognostisch abzuschätzen ist, ob die Gefährdung des Kindeswohls bereits im Einvernehmen mit der Pflegeperson abgewendet werden kann, beispielsweise durch Beratungs- und Unterstützungsangebote, auf die die Pflegeperson nach § 37 Abs. 2 einen Anspruch hat. Trifft dies zu, so hat das Jugendamt die Kindeswohlgefährdung zunächst durch dieses – mildere – Mittel abzuwenden.
Rz. 19
Lässt sich hierdurch die Gefahr nicht abwenden, so steht das Jugendamt in der Pflicht ("ist"), die Pflegeerlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen. Mildere Mittel im Vergleich zur Beendigung des Pflegeverhältnisses sind dann nicht mehr gegeben. Das Jugendamt kann also beispielsweise nicht lediglich eine gleichzeitig gewährte Leistung einstellen, etwa die künftige Zahlung von Pflegegeld verweigern, und das Pflegeverhältnis bestehen lassen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 9.7.2003, 9 S 1070/03). Ein Widerruf kann beispielsweise darin begründet sein, dass der im Haushalt lebende Partner der Pflegeperson des sexuellen Missbrauchs eines Pflegekindes verdächtig ist; in diesem Fall werden regelmäßig auch die Pflegeerlaubnisse für die weiteren im Haushalt lebenden Pflegekinder zu widerrufen sein, hinsichtlich der keine Verdachtsmomente gegeben sind (VG Ansbach, Beschluss v. 23.2.2006, AN 14 K 05.01916).
Rechtsgrundlage für Rücknahme und Widerruf ist die Spezialregelung in Abs. 3 Satz 2, die den allgemeinen Regelungen in §§ 44 ff. SGB X vorgeht (BT-Drs. 11/5948 S. 83). Rücknahme und Widerruf stehen dabei unter der alleinigen Voraussetzung, dass das Kindeswohl (weiterhin) gefährdet ist, eine Schädigung also in absehbarer Zeit droht. Das Gesetz fragt hierbei nicht nach den Gründen. Es ist unerheblich, ob die Pflegeperson zur Abstellung der Gefährdung – von vornherein oder nachträglich – nicht gewillt oder in der Lage ist. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Pflegeperson bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Fortbestandes der Pflegeerlaubnis genießt.
Rz. 20
Verfahrenstechnisch ist die Erlaubnis zurückzunehmen, wenn die Gefahr bereits im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung gegeben war, die Pflegeperson beispielsweise (ohne Erlaubnis) mehr als 5 Minderjährige in Vollzeit betreut. Ist die Gefahr erst nachträglich eingetreten, so greift der Widerruf. Pflegeperson und Personensorgeberechtigter sind vorher nach § 24 SGB X anzuhören. Hiervon kann abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint, § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X. Zuständig ist auch hier der örtliche Jugendhilfeträger, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 85 Abs. 1, § 87a Abs. 1.
Rz. 21
Rücknahme und Widerruf besagen noch nichts über den Verbleib des Pflegekindes. Deswegen empfiehlt es sich, die Sorgeberechtigten (Eltern) aufzufordern, das Kind aus der Vollzeitpflege herauszunehmen. Folgen diese der Empfehlung nicht, so kann das Jugendamt den Minderjährigen nur unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 aus der Pflegefamilie herausnehmen (Bay VGH, Beschluss v. 2.7.2003, 12 CS 03.1017) oder über § 8a Abs. 3 das Familiengericht wegen einer Entscheidung über das Sorgerecht anrufen. Gleichzeitig ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 gegeben.