Rz. 6

Die Erteilung der Betriebserlaubnis setzt voraus, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Der Begriff der Gewährleistung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in Abs. 2 einerseits und der Begriff des Kindeswohls in § 1666 BGB anderseits ist unterschiedlich zu interpretieren. Im Erlaubnisverfahren nach § 45 sind die Rahmenbedingungen in der Einrichtung unter dem Gesichtspunkt möglicher Gefahrenquellen zu bewerten. Maßgeblich ist "das Wohl der Kinder und Jugendlichen" generell; der Gesetzgeber hat insoweit den Plural gewählt. Die Behörde tritt im Erlaubnisverfahren in typischer Weise ordnungsbehördlich auf. Sie hat sich in ihrer präventiven Funktion um mögliche Gefahrenquellen zu kümmern. Bei der Erlaubniserteilung ist demnach zu prüfen, ob eine abstrakte Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, während für die nachträgliche Aufhebung der Erlaubnis nach Abs. 7 Satz 2 eine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegen muss. Der Begriff der Kindeswohlgefährdung in § 1666 BGB ist in Abgrenzung dazu in einem familienrechtlichen Kontext zu sehen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.5.2022, 3 KN 5/17).

 

Rz. 6a

Mit der Neufassung von Abs. 2 durch das BKiSchG stellt der nunmehr positiv gefasste Erlaubnistatbestand dies in Satz 1 fest. Wenn die Voraussetzungen nach Abs. 2 und 3 erfüllt sind, hat der Träger einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis. Dieser Rechtsanspruch greift ab Antragstellung (VG Weimar, Urteil v. 31.8.2004, 8 K 195/98). Ferner trägt der Jugendhilfeträger die Beweislast im Falle der Versagung (BT-Drs. 11/5948 S. 83 für § 44). Er muss ggf. nachweisen, dass Umstände vorliegen, die die Ablehnung der beantragten Betriebserlaubnis rechtfertigen. Er muss also konkrete Tatsachen benennen, die den Schluss zulassen, dass im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, das Kindeswohl sei in der Einrichtung in absehbarer Zeit nicht (mehr) gewährleistet. Die in Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 festgelegten Kriterien konkretisieren den Begriff des Kindeswohls und dienen so der Vereinheitlichung der häufig schwierigen Auslegungspraxis, ohne allerdings den Begriff abschließend zu definieren (BT-Drs. 15/5616 S. 26 und BT-Drs. 17/6256 S. 23). Der Rechtsanspruch des Einrichtungsträgers auf Erteilung einer Betriebserlaubnis lässt für Steuerungserwägungen des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe keinen Raum. Das Verfahren der Erlaubniserteilung darf nicht als Mittel zur Durchsetzung einer besseren Einrichtungsqualität eingesetzt werden (OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.5.2022, 3 KN 5/17). Das Wohl der Kinder und Jugendlichen ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 45 Rz. 53).

2.2.1 Regelbeispiele für die Gewährleistung des Kindeswohls

 

Rz. 7

Gemäß Abs. 2 Satz 2 ist "in der Regel anzunehmen", dass das Kindeswohl gewährleistet ist, wenn die in Nr. 1 bis 4 genannten Kriterien erfüllt sind. Die dort normierten auslegungsbedürftigen Voraussetzungen stellen Mindeststandards dar. Der Zusatz "in der Regel" ermöglicht eine einzelfallbezogene Prüfung der Voraussetzungen. Im Übrigen hat sich zur Auslegung der Kriterien eine umfangreiche Rechtsprechung und Kommentarliteratur herausgebildet. Die Erlaubnisbehörde hat prognostisch vor Inbetriebnahme der Einrichtung, aber anlassbedingt auch später bei laufendem Betrieb zu prüfen, ob die Einrichtung unter Berücksichtigung ihres Zwecks und ihres Trägers zur Aufnahme der Minderjährigen unter Berücksichtigung der Mindestvorgaben aus Abs. 2 Nr. 1 bis 4 geeignet ist, insbesondere in personeller, pädagogischer, räumlicher, sächlicher, gesundheitlicher und hygienischer Hinsicht.

2.2.1.1 Zuverlässigkeit des Einrichtungsträgers

 

Rz. 8

Nr. 1 benennt positiv formuliert die Zuverlässigkeit des Trägers als Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis. Während vor der Einführung der neuen Nr. 1 durch das KJSG die Prüfung zur Erteilung der Betriebserlaubnis rein einrichtungsbezogen erfolgte, wird mit dem KJSG die Eignung des Trägers im Sinne seiner Zuverlässigkeit als zusätzliches Kriterium zur Voraussetzung für die Erteilung in den Katalog des Abs. 2 aufgenommen. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass ein unzuverlässiger Träger ein an sich beanstandungsfreies Konzept für eine Einrichtung vorlegt, das den Maßgaben des geltenden Abs. 2 entspricht, mit der Folge, dass die Betriebserlaubnis zu erteilen wäre. Die Voraussetzung nach Nr. 1 ist auch dann zu prüfen, wenn bei Inkrafttreten des KJSG am 10.6.2021 bereits eine bestandskräftige Betriebserlaubnis vorlag. Ggf. kommt in einem solchen Fall eine Aufhebung nach Abs. 7 in Betracht (BT-Drs. 19/26107 S. 97). Der unbestimmte Rechtsbegriff der Zuverlässigkeit wird im Wirtschaftsverwaltungsrecht in bei solchen erlaubnispflichtigen Gewerben als gesetzliche Voraussetzung benannt, bei denen die Erlaubnisnehmer bei der Berufsausübung eine Verantwortung für die Personen übernehmen, denen gegenüber sie Leistungen erbringen (z. B. im Apothekengesetz, im Kreditwesengesetz, in der Gewerbeordnung, im Gaststättengesetz und im Personenbefö...

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