Rz. 9
Die örtliche Prüfung bedingt regelmäßig, dass die Einrichtung selbst (samt Grundstück) betreten werden muss. Hierbei sind die Vorgaben aus Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) zu beachten. Dies berücksichtigend können Einrichtung und Grundstück immer dann betreten werden, wenn der Träger hierin eingewilligt hat. Dann liegt kein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG vor (Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., München 2004, Art. 13 Rn. 7). Abs. 3 Satz 1 trifft Regelungen für den Fall, dass keine Einwilligung des Trägers vorliegt. Gemäß Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 sind die von der zuständigen Behörde beauftragten Personen berechtigt, während der Tageszeit die für die Einrichtung benutzten Räume und Grundstücke (1) zu betreten, (2) dort Prüfungen und (3) Besichtigungen vorzunehmen. Dies beinhaltet weder die Befugnis zur Durchführung einer Durchsuchung noch zur Einsichtnahme in Unterlagen. Erlaubt ist mithin der prüfende Blick auf alles, was der Berechtigte beim Betreten der Grundstücke und Räume erblickt. Dies darf geprüft und besichtigt werden. Nicht erlaubt ist die ziel- und zweckgerichtete Suche nach Personen oder Gegenständen zur Ermittlung eines Sachverhalts oder um etwas zu finden, was der Leiter der Einrichtung nicht offenlegen möchte. Nach den Polizeigesetzen der Länder ist eine Durchsuchung außer bei Gefahr im Verzug nur auf richterliche Anordnung zulässig (vgl. etwa § 42 Abs. 1 PolG NRW). Der Einrichtungsträger hat bei den Prüfungen mitzuwirken. Mitwirkung bedeutet in erster Linie, dass der Einrichtungsträger einer Informationspflicht unterliegt. Er muss insbesondere vom Prüfungszweck gedeckte Fragen der Prüfer beantworten und Aufzeichnungen zur Einsichtnahme herausgeben.
Rz. 10
Die von der zuständigen Behörde beauftragten Personen sind nicht berechtigt, Grundstücke und Räume zu betreten, die einem Hausrecht der Bewohner unterliegen. Bewohner, denen ein Hausrecht zusteht, sind nicht die dort betreuten Kinder und Jugendlichen, sondern Hausrechtsinhaber und Verfügungsberechtigte, also der Leiter der Einrichtung und Verfügungsberechtigte über einzelne Räumlichkeiten, z. B. Bewohner eines Erzieherzimmers (Mörsberger, in: Wiesner, 5. Aufl. 2015, SGB VIII, § 46 Rz. 12). Das Betreten ist nach Abs. 3 Satz 1 nur zur Tageszeit erlaubt. Dieser Begriff wird nicht näher definiert. Die Definition der Nachtzeit in § 104 Abs. 3 StPO und § 758a ZPO (21 bis 7 Uhr) dürfte wenig geeignet sein, da diese Vorschriften sich auf Durchsuchungen im Rahmen von Vollstreckungshandlungen beziehen. Eher dürfte die Zeit zwischen Frühstück und Abendessen, also die Zeit von 7 Uhr bis 19 Uhr als Tageszeit zugrunde gelegt werden. Denn dies entspricht den üblichen Betriebsabläufen in den Einrichtungen und dem daran angeglichenen Lebensrhythmus der Kinder und Jugendlichen (Busse, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., Stand: 5.7.2021, § 46 Rz. 32; Tillmanns, in: MünchKomm, § 46 SGB VIII Rz. 4; Mörsberger, in: Wiesner, 5. Aufl. 2015, SGB VIII, § 46 Rz. 12).
Rz. 11
Gemäß Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 dürfen die beauftragten Personen mit den Beschäftigten der Einrichtung und den Kindern und Jugendlichen unter den nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen Gespräche führen. Sie muss ferner den Anspruch des Kindes oder Jugendlichen aus § 8 Abs. 3 auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten beachten, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. Grundsätzlich muss das Einverständnis der Personensorgeberechtigten mit der Durchführung des Gesprächs eingeholt und deren Beteiligung an dem Gespräch ermöglicht werden (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a). Ferner muss das Angebot zur Hinzuziehung einer Vertrauensperson gegenüber dem Kind oder Jugendlichen unterbreitet werden und deren Teilnahme ermöglicht werden (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b). Spätestens an dieser Stelle wird der gewaltige bürokratische Aufwand deutlich, der mit der Neufassung der Vorschrift durch das KJSG aufgetürmt wird. Gespräche ohne Beteiligung der Personensorgeberechtigten und/oder einer Vertrauensperson kommen nur dann in Betracht, wenn eine effektive Abwehr möglicher Gefahren für das Wohl der Kinder und Jugendlichen dies erforderlich macht. Eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses kommt nur in Betracht, wenn die Effektivität der Gefahrenabwehr diese gebietet. Sie bedarf einer besonderen Begründung im Einzelfall (BT-Drs. 19/26107 S. 104).
Rz. 12
Gemäß Abs. 3 Satz 2 dürfen die von der zuständigen Behörde beauftragten Personen zur Abwehr von Gefahren für das Wohl der Kinder und Jugendlichen außerhalb der in Satz 1 genannten Zeit, also außerhalb der Tageszeit die Grundstücke und Räume der Einrichtung betreten. Sie dürfen nach dem Gesetzeswortlaut zur Gefahrenabwehr auch die dem Hausrecht der Bewohner unterliegenden Räumlichkeiten betreten und Gespräche mit den Beschäftigten und den Kindern und Jugendlichen führen. Dies entspricht der bereits vor Inkrafttreten der Novellierung bestehenden Auffassung in der Literatur, wonach die Grundstüc...