Rz. 4
Das Wahlrecht bezieht sich auf eine bestimmte Leistung der Jugendhilfe, die von verschiedenen Trägern angeboten wird. Dies setzt weiter voraus, dass die Leistung ihrer Art nach durch gesetzliche Vorschrift, Bewilligungsbescheid oder planerische Entscheidung konkretisiert ist. Grundsätzlich besteht kein Wahlrecht unter verschiedenen Leistungsarten. Dem Wunschrecht ist begrifflich immanent, dass nur unter vorhandenen Leistungsangeboten und unter den vorhandenen Einrichtungen und Diensten gewählt werden kann (zu den Begriffen der Einrichtung und der Dienste vgl. die Kommentierung zu § 4 Rz. 17 f.). § 5 normiert keinen Beschaffungsanspruch in Bezug auf zusätzliche, derzeit nicht vorhandene Einrichtungen und Dienste (OVG Brandenburg, Beschluss v. 5.9.2002, 4 B 127/02; BayVGH, Beschluss v. 2.12.2003, 7 CE 03.2722; OVG Lüneburg, Beschluss v. 2.9.2010, 4 LA 176/09). Das Wahlrecht bezieht sich auf die Einrichtungen und Dienste aller in Betracht kommender Träger; dazu zählen freie Träger, freigewerbliche und öffentliche Träger (VG Aachen, Urteil v. 25.2.2003, 2 K 392/01). Für die Jugendhilfe gibt es kein "Territorialitätsprinzip" in dem Sinne, dass eine bedarfsdeckende Jugendhilfeleistung in einer Tageseinrichtung für Kinder ausgeschlossen wäre, die außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs des jeweiligen Jugendhilfeträgers gelegen ist (BVerwG, Urteil v. 14.11.2002, 5 C 57/01). Das Wunsch- und Wahlrecht des ist daher räumlich nicht auf den Zuständigkeitsbereich des für das Kind örtlich zuständigen Jugendhilfeträgers begrenzt (VG Stuttgart, Beschluss v. 9.9.2013, 12 K 3195/13).
Rz. 4a
Leistungsberechtigte sind die Inhaber des Rechts auf die jeweilige Sozialleistung, also die materiell berechtigten Personen, nicht die Jugendhilfeträger (Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 5 Rz. 6). Zumeist sind die Personensorgeberechtigten leistungsberechtigt. Kinder und Jugendliche haben Beteiligungsrechte nach Maßgabe von § 8 und § 36. Voraussetzung für ein einklagbares Recht auf Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts gegenüber dem öffentlichen Träger hat der Leistungsberechtigte nur dann, wenn zumindest dem Grunde nach ein Rechtsanspruch auf die jeweilige Leistung besteht (Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 5 Rz. 20). Ein Wunsch- oder Wahlrecht besteht nur gegenüber einem öffentlichen Träger der Jugendhilfe, nicht gegenüber einem zivilrechtlich strukturierten freien Träger und nicht gegenüber einer zivilrechtlich strukturierten Einrichtung oder einem solchen Dienst. Gegenüber freien Trägern, Einrichtungen und Diensten kann der Leistungsberechtigte nur mittelbar ein Wunsch- oder Wahlrecht geltend machen, indem er den öffentlichen Träger in die Pflicht nimmt, auf den freien Träger, die Einrichtung oder den Dienst einzuwirken.
Rz. 5
Davon zu differenzieren ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Leistungsberechtigten ein Recht zur Selbstbeschaffung von Leistungen der Jugendhilfe zusteht. Dabei handelt es sich regelmäßig um bereits existierende Leistungsangebote. Es fehlt jedoch an der rechtzeitigen Bewilligung der Leistungen durch den öffentlichen Träger. Ebenso wie in anderen Bereichen des Sozialrechts (vgl. § 13 Abs. 3 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung) muss ein Selbstbeschaffungsrecht auf Ausnahmefälle begrenzt sein. Das Wahlrecht ist nicht auf die Einrichtungen und Dienste innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des bewilligenden Trägers begrenzt; sogar Einrichtungen im Ausland kommen grundsätzlich in Betracht (BVerwG, Urteil v. 14.11.2002, 5 C 57/01).
Rz. 5a
Das Wunsch- und Wahlrecht findet dann seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform (mehr) vorhanden oder verfügbar sind (OLG Braunschweig, Urteil v. 29.11.2017, 11 U 59/17, Rz. 37). Stehen nur freie Plätze in Tageseinrichtungen oder bei bestimmten Kindertagespflegepersonen zur Verfügung, beschränkt sich das Wunsch- und Wahlrecht auf diese freien Plätze. Insoweit gilt nichts anderes als im Zusammenhang mit den anderen kinder- und jugendrechtlichen Leistungsformen, unter anderem auch mit dem bereits seit langem gesetzlich verankerten Rechtsanspruch von über 3-jährigen Kindern auf einen Kindergartenplatz. Hier ist anerkannt, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 keinen Anspruch auf die Schaffung neuer Dienste und Einrichtungen enthält, sondern sich nur auf das tatsächlich vorhandene Angebot, d. h. auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Plätze, beschränkt. Kann der Anspruch auf frühkindliche Förderung weder in der einen noch in der anderen vom Gesetz vorgesehenen Betreuungsform erfüllt werden, kommen daher nur noch Ersatzansprüche in Betracht (OVG NRW, Beschluss v. 14.8.2013, 12 B 793/13).
Rz. 6
Bei Leistungen zur Rehabilitation ist auch im Bereich der Jugendhilfe § 15 Abs. 1 SGB IX zu beachten. Danach besteht der Anspruch auf Selbstbeschaffung aber nur dann, wenn – ausnahmsweise – der Betroffene zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Anspruc...